SaschaSalamander

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Art der Sprache und des Schreibstils im Kinderbuch - Eure Meinung bitte

davies_katze_1.jpgIch habe heute "das Katzenkomplott" von Katie Davies abgeschlossen, war hochbegeistert. Und auch schon das Hamster-Massaker davor fand ich grandios.

Aber: ich habe das Buch als Erwachsener gelesen. Jaaaa, ich bin Sozpäd, deswegen dürfte ich als Tagesmutter Notfallkinder (krank, behindert oder schwer erziehbar) auch ohne Schulung pflegen. Im Gegensatz zur unausgebildeten Mutter, die selbst schon mehrere Kinder erzogen hat und trotzdem erst einen einwöchtigen Lehrgang machen müsste. Schwachsinn. Egal. Ich habe keine Erfahrung mit Kindern, außer ein wenig Praktikum im Kindergarten. Oder meine eigenen Erinnerungen. Und was ich theoretisch manchmal aus Neugier an Fachbüchern lese.

Deswegen eine Frage hier an die Mütter, Väter, Omas, KinderbuchautorInnen, Lektorinnen: Wie ist das bei Kinderbüchern mit der Sprache, der Perspektive und dem Inhalt? Bezogen auf das Beispiel des KATZEN-KOMPLOTTs von Katie Davies.

Die Perspektive passt nicht so wirklich. Es ist in der Ich-Perspektive geschrieben aus Annas Sicht. Aber häufig erzählt sie von ihrem kleinen Bruder, der (ohne sie) gerade beim Herrn Tucker ist und was er und Herr Tucker gemeinsam erleben. Obwohl sie nicht dabei ist und Tom ihr das nie so ausführlich erzählt haben kann. Also klar eine falsche Perspektive. In einem Erwachsenenbuch ein No-Go, aber für Kinder dürfte das weniger ein Problem sein, oder? Oder müsste es gerade dort erst recht korrekt sein? Denn in der Realität würde Anna, wenn sie die Geschichte erzählt, natürlich ein wenig ausschmücken, ein wenig dazuerfinden und dann ihre Variante weitergeben, wie es gewesen sein könnte.

Oder was die Sprache betrifft: es ist so geschrieben, wie Kinder oft sprechen. Die Autorin schreibt "Ich und Susanne und Tom", obwohl Kinder natürlich lernen "der Esel nennt sich immer zuerst". Oder "Und auf dem Dach fehlten viele Ziegel. Und oben auf dem Abflussrohr steckte ein Vogelnest. Und der Schornstein sah aus, wie als würde er gleich umkippen". Oder "Ich habe sie gefragt, weil, wir waren ja schon fertig". Oder "Und Mama hat gesagt, sie hat das gar nicht toll gefunden".

Als Erwachsene wissen wir, dass das falsch ist und amüsieren uns köstlich, denn so höre ich Kinder oft sprechen, und ich finde diesen Schreibstil süß, weil ich das bildlich vor mir sehe und einfach toll finde, das Buch explodiert regelrecht von witzigen inhaltlichen Einfällen, selten lache ich SO viel bei einem Buch wie bei Katie Davies. Ich sehe während des Lesens regelrecht das Mädel vor mir, das da spricht, ständig aufgeregt Luft holt, sie sagt "und dann haben Ich und Tom ... und ich habe ... und dann ... und weil ...", wie es Kinder eben tun. Konjunktiv, Genitiv, indirekte Rede, das kommt in dem Buch gar nicht vor, von einem 8jährigen Kind kann man das noch nicht wirklich erwarten (ehrlich gesagt sind das Feinheiten, die teilweise nicht einmal Erwachsene beherrschen *hüstel*).

ABER: wie gehen Kinder damit um? Wie können Kinder eine korrekte Sprache lernen, wenn sie lauter Fehler hören? Oder können Kinder das gut unterscheiden und sagen "das ist ein Kinderbuch, das ist anders geschrieben, das finde ich toll, aber das darf ich nicht nachmachen"? Darf ein Kinderbuch so etwas? Ist das pädagogisch wertvoll, oder ist das problematisch?

Die Frage einerseits als Anregung zur Diskussion, vielleicht sogar Provokation (denn ich bin sicher, die Meinungen werden sehr auseinandergehen). Und zum anderen aus reiner Neugier, da mir hier wirklich die Erfahrung als Mutter und Pädagogin fehlt ;-)

*********

Anmerkung: normalerweise schreibe ich Gegenkommentare. Hier mal nicht. Nicht aus Ignoranz oder Unhöflichkeit, sondern weil ich die Meinungen als solche stehenlassen und die Diskussion nicht durch meinen eigenen Senf abgraben will ;-)

SaschaSalamander 31.03.2012, 09.45

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Kommentare zu diesem Beitrag

5. von Ulrike Rylance

Hallo Sara,

das ist so eine Gratwanderung. Einerseits soll ein Kinder / Jugendbuch authentisch wirken und wenn ein Kind im Buch sagt: "Könntest du bitte die Tür schließen, mir ist kalt", dann glaubt ihm das kein Mensch, denn ein normales Kind sagt "Mach ma Tür zu, ich friere so doll." :zwinker:

Aber wenn es dann zu salopp und agrammatisch ist, finde ich das auch nicht gut, ABER ich denke mal, wer seinen Kindern Bücher vorliest/ kauft, der wählt ja nicht nur welche vom einen oder anderen Extrem. Es gibt ja so viele Schattierungen dazwischen. Und wenn unter den hundert Büchern im Jahr vier dabei sind, in denen süß geqatscht wird, wie der Schnabel gewachsen ist, dann macht das gar nichts. Viel schilimmer ist die Dauerberieselung von Erwachsenen im täglichen Gespräch mit falscher Grammatik: "Dem Benno sein Bruder, leg mal die Messers und Gabeln hier hin, heut gehn mer nich naus, mach das nicht, weil ich hab dir das verboten" und so weiter und so schrecklich. DAS bleibt hängen!!
:angry:

vom 12.04.2012, 02.19
4. von Sonja

Ich hab keine Kinder, aber ich denke, Bücher können noch so korrekt geschrieben sein, Kinder übernehmen in erster Linie die Sprache ihres Umfeldes.
Die saarländischen Kinder (und Erwachsene) lesen - davon gehe ich aus - auch überwiegend grammatikalisch korrekte Bücher, aber dennoch sagen hier (fast) alle "mitholle" oder wenn sie "hochdeutsch" reden wollen "mitholen" - das "Mitnehmen" existiert hier nicht (gleichermaßen "abholle" für Diät machen/abnehmen, "holle" fü "nehmen", usw.). Die Zahl der Bücher im saarländischen Dialekt ist überschaubar, also dürfte es nicht an der Lektüre liegen ;-)
LG
Sonja

P.S.: Und erschreckende viele sind sich auch gar nicht bewusst, dass "mitholen" der falsche Begriff ist.

vom 31.03.2012, 15.35
3. von Bea

Hallo Sara

deine Frage erinnerte mich spontan an "Pippi Langstrumpf" und die Gefährlichkeit der Geschichten. Das war zu meiner Zeit Diskussionspunkt: alles so übertrieben, die Kinder identifizieren sich zu sehr damit und und und... ich kann mich nicht erinnern, dass es mir je in den Sinn kam, wie Pippi Langstrump, die Wände hoch laufen zu wollen (oder was auch immer)
Wie werden die Pippi Langstrumpf Geschichten heute gesehen? Doch eher als "Prädikat wertvoll"... Ich bin der Meinung, dass sehr vieles erlaubt sein kann, wenn es ein Mass gibt. Zu viel Fernsehen ist ungesund, aber sinnvoll und mit Mass eingesetzt, ist es (meiner Meinung nach) sogar wichtig. Der verteufelte Computer hat ebenfalls seine Berechtigung - und das immer mehr. Geschichten, in die ich mich so richtig hineinfühlen kann, weil sie meine Sprache sprechen, sind einfach nur klasse. Lese ich ein, zwei drei Bücher in einer absoluten Wohlfühlsprache heißt das aber bestimmt nicht, dass nun alles zu spät ist?! Mich hat Pippi Langstrumpf nicht lebensuntauglich gemacht und ich hab auch nie geglaubt, dass es tatsächlich einen Limonadenbaum gibt. Genauso wenig haben mir Tom&Jerry oder irgendwelche anderen Cartoons geschadet, die garantiert nicht pädagogisch wertvoll waren. In erster Linie lernen Kinder von ihren Bezugspersonen, wie Eltern (Prio A) und dann Pädagogen aus Kindergarten/Schule und natürlich den Freunden - also den Menschen, die sie umgeben. Ein Plus, wenn ein Kind gerne liest und auch daraus etwas für sich mitnimmt. Nein, meiner Meinung nach, richtet ein Buch, in dem die Dialoge in einer "fehlerhaften" Sprache geschrieben sind, keinen Schaden an - ich würde eher noch behaupten "das Gegenteil ist der Fall".

Liebe Grüsse an dich,
Beatrice


vom 31.03.2012, 15.18
2. von Sandra

Hi Sara,

nun, Feinheiten wie falsche Perspektiven fallen selbst den meisten Erwachsenen nicht auf. Selbst Autoren nicht. :haeh:

Die "fehlerhafte" Sprache empfinde ich als problemlos, sofern sie sich auf die Dialoge beschränkt. So sprechen Kinder, oft genug auch Erwachsene (z.B. das eingeschobene "weil"). Es erhöht den Wohlfühlfaktor, weil es vertraut klingt. Im Erzähltext darf so etwas dann auf gar keinen Fall vorkommen. Es würde übertrieben klingen, und das Lesevergnügen eher anstrengend werden lassen.

Falsche Rechtschreibung, wie von Inka angesprochen, ist für visuelle Lerntypen ein Problem. Meine Kinder sind sehr auf Akustik und Motorik ausgelegt, falsche Rechtschreibung fällt ihnen gar nicht erst auf. Weder im Guten noch im schlechten Sinne. Solche Stilmittel sollten eher die Ausnahme sein und auf ein oder max. zwei Charaktere begrenzt werden. Es liest sich sonst auch sehr anstrengend. Die richtige Dosierung ist nicht leicht zu finden ...

Zum Thema Inhalt kann ich jetzt nichts sagen, weil vieles individuell ist, gerade bei Kinder- und Jugendbüchern. Was das eine Kind mit 10 Jahren schon perfekt versteht, ist für andere mit 14 noch nicht ersichtlich. Ideal wäre es, wenn die Eltern stets verfügbar wären, um solche Fragen beantworten zu können, aber das ist dann wieder ein ganz anderes Thema.

Liebe Grüße,
Sandra


vom 31.03.2012, 13.03
1. von Inka

Hi Sara,

ich kann aus Erfahrung sagen: Kinder übernehmen die Fehler.
Mich als Autorin stört das natürlich, wenn in einem Buch "Fehler" sind. Nur mit dem Schreibhandwerk eines Kinderbuches kenne ich mich null aus. Da gibt es sicher ganz andere Regeln, wie zB die einfache Sprache und der einfache Satzbau.
Ich kann nur ein anderes Buch als Beispiel nennen: Die Gargolz
Mein Sohn liebt die Bücher, doch leider stimmt dort, wenn die Gargolz sprechen, absichtlich die Rechtschreibung nicht. Mein Sohn übernimmt die falschen Wörter teilweise :-( Das finde ich nicht gut.
Ansonsten fallen meinem Kind (8 Jahre) Fehler mittlerweile auf, weil er liest sehr viel und weiß auch von mir, dass dieses oder jenes falsch ist.
Was mir ja immer sehr aufstößt, wenn nach einer direkten Rede kein Sprechverb kommt.
"Du bist verrückt", lachte er.
"Das kannst du so machen", nickte er.
Das finde ich unmöglich, denn die Kinder eignen sich das völlig falsch an.

Liebe Grüße,
Inka

Liebe Grüße,
Inka

vom 31.03.2012, 10.09

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