SaschaSalamander

Ausgewählter Beitrag

Franken Fran

kigitsu_frankenfran_1.jpgDiesmal möchte ich Euch einen Manga vorstellen, der es gewaltig in sich hat. Ich weiß gar nicht so recht, wo man ihn einordnen sollte. Eigentlich gibt es da nur den Begriff "Guro", und damit wäre dann auch schon alles gesagt. Ich wüsste jetzt nicht, wie ich diesen Begriff, den es im Deutschen nicht gibt, erklären sollte. Wer mag, kann ja mal nach dem Begriff googeln und sich ein paar Bilder ansehen, dann dürfte klar sein, was gemeint ist. Aber: nur suchen, wer schon über 18 ist, das ist nämlich nicht gerade was für Kinder ;-)

Hier würde man es wohl in "Gothic Horror" oder "Medical Horror" einordnen (auch wieder englische Begriffe, aber dafür weitgehend bekannt), verkauft wurde es als "medical horror". Darunter fallen also medizinische Abartigkeiten wie Frankenstein, oder von Lovecraft und Poe einige Geschichten von postmortal entfernten Gehirnen, die dann draußen weiterleben und ähnliches. Oder Sachen wie Sweeney Todd, Repo Man, Jack the Ripper, Jeykill und Hyde und ähnliche nette Zeitgenossen. Wobei das Randbereiche sind, denn Guro an sich gibt es bei uns nicht, und die Japaner haben da etwas geschaffen, an das sich unsere westliche Welt noch nicht herangetraut hat, einziger Film von ähnlichem Ekelfaktor fiele mir lediglich >BRAINDEAD< von Peter Jackson ein, aber der ist im Grunde auch kein Vergleich komplett anders  (aber ähnlich extrem) ...

Aber gut, ich bin in meinem Element, ich schweife ab. Jetzt sollte ich wohl trotzdem besser von FRANKEN FRAN erzählen ...

Professor Madaraki ist Wissenschaftler, und momentan ist er nicht zu Hause. Fran hütet in der Zwischenzeit das Haus. Fran ist seine neueste Schöpfung, und nicht sofort erkennt man, wer oder was sie eigentlich ist, die Gäste halten sie für einen Menschen. Fran hat sehr viel vom Doktor gelernt, und als nun die Gäste mit ihren Anliegen an den Doktor und in Vertretung nun an sie herantreten, hilft Fran gerne. Netter Slogan: "Keine Angst, sie wird Dich nicht töten. Sie repariert Dich nur". Und das ist oft schlimmer. Oder besser?

Der erste Band besteht aus verschiedenen Kurzgeschichten. So will ein Vater den verstorbenen Sohn lebendig machen lassen wegen des Familienerbes. Fran meint es gut und hilft, wenn auch anders als der Vater sich das vorgestellt hatte. Ein junger Mann bittet seine große Liebe um ein Date, sie lehnt ab, geht und wird prompt von einem Auto zerfetzt. Noch ist es nicht zu spät, Fran ist rechtzeitig am Ort des Geschehens und kann das Mädchen wiederbeleben. Nun wird sich zeigen, ob der junge Mann das Mädchen wirklich liebt, denn das Ergebnis ist typisch für Fran!

Ich würde zu gerne mehr erzählen, aber ich möchte nicht vorweggreifen. Der Manga ist einfach grandios gehalten. Wer dieses Genre mag, muss FRANKEN FRAN einfach lieben! Und wer noch nie zu einem Manga gegriffen hat aber blutigen Splatter - Goth - Abgefuckt - Horror mag, der sollte ausnahmsweise mal auf dieses Medium zurückgreifen. Storyline, Zeichnungen, Inhalt, es ist einfach ein kleines Meisterwerk.

Zugegeben, auf den ersten Blick könnte man sagen, es strotzt nur so vor Geschmacklosigkeiten. Blut spritzt, Gedärme liegen am Boden. Der Zeichner spart nicht an Details, wenn das zerfetzte Mädchen von der Straße gekratzt wird. Und als zu medizinischen Zwecken Fran ein Gehirn entfernen muss, zieht sich dieses Bild über eine ganze Zeite und zeigt in allen Einzelheiten den Glibber und Schmodder. Da braucht man schon einen kräftigen Magen oder aber einen recht schwarzen Humor.

Aber hinter diesen Bildern versteckt sich eine sehr gut erzählte Geschichte. Denn trotz der Abstrusitäten werden ethische Dilemmata angesprochen. Und so abartig und brutal Fran wirken mag, so hintergründig sind ihre Motive. Nein, sie ist nicht böse. Sie ist niedlich und lieb, und ihre Taten wirken vielleicht aufgrund der Art und Weise, wie sie Lebewesen miteinander verknüpft und tote Menschen wiederbelebt kalt und brutal. Aber sie hat sich jedes Mal etwas dabei gedacht, und am Ende hat der Leser ein Schmunzeln im Gesicht. Ja, Fran hat es richtig gemacht, sie hat damit Gutes gewirkt und den Menschen geholfen, auch wenn diese es im ersten Moment nicht erkennen konnten. Ich glaube, mit einer Fran wäre diese Welt ein kleines Stück besser. Absurder, aber ehrlicher ...

Die Figuren sind sehr schön gestaltet. Fran ist hübsch gezeichnet, und es gibt tolle Momente, wie ganz nebenbei, wenn sie im wahrsten Sinne kopflos durch das Labor huscht oder sich ihre Arme abschraubt, repariert, beiseitelegt. Sie hat gerne mal einen Ersatzkörper dabei, und wenn nicht, dann muss ihr Haustier herhalten, die Menschenkatze Oka, ein Katzenkörper mit Menschenkopf. Die Wortgefechte zwischen den beiden sind einfach niedlich und verleihen dem Manga eine ordentliche Portion Humor. Fran, die Katze, ihre Butler (lauter Horrorwesen, die nachts bei Vollmond auf Streifzug gehen, sich jedoch vor einem Horrorfilm gruseln), der Wissenschaftler, sie bekommen alle in nur wenigen Panels eine eigene Persönlichkeit, besser als es manchem Autor auf hunderten Romanseiten gelänge.

Die Storyline ist perfekt. Eine der Geschichten dauerte rund 20 Seiten, und auf diesen 20 Seiten hat der Autor es geschafft, drei Twists einzubauen! Und als man dachte, jetzt ist die Story aus, es kommt nichts mehr, schwupps hat sich noch einmal alles gedreht, und es gab noch eine Schlusspointe. Mensch, das finde ich wirklich außergewöhnlich, und das zeugt von der Erzählkunst des Schreibers / Zeichners! Dazu kommt, dass die Geschichten perfekt in die Panels eingearbeitet sind. Kigitsu wählt perfekt seine Einteilung, wofür er nur ein winziges Bildchen braucht, was er groß darstellen muss, und wofür er eine ganze Doppelseite benötigt, besser hätte man den Manga kaum zeichnen und erzählen können. Und das Beste: die überraschenden Wendungen haben perfekte Kunstpausen. Man muss nämlich immer erst umblättern, und dann wird man von einer neuen Monstrosität regelrecht erschlagen, man schluckt, ist schockiert, und dann beginnt man zu lachen, weil es einfach viel zu schräg ist.

Es gibt ein paar Dinge, die ich ungewöhnlich finde: erstaunlich, wie viele Dinge durch die Zensur rutschen. Gut, der Manga ist eingeschweißt und ab 16, aber wäre es ein Film, wäre er vermutlich indiziert. Und ich wette, falls man ein Höschen von Fran gesehen hätte, wäre es auch ab 18 gewesen. Naja, ich denke, ich muss die Zensur  oder Nicht-Zensur nicht verstehen, sollte mich einfach freuen, dass ich ihn ganz normal im Handel kaufen durfte. Klar, es ist fiktiv, das erkennt sogar ein Kind. Aber mal ehrlich, sind das einige anderen indizierten Filme nicht auch?

Eigentlich war der Manga ja als One-Shot gedacht, aber dann folgten weitere Bände. Ich bin froh darüber, denn schon jetzt hat FRANKEN FRAN einen Ehrenplatz in meinem Regal. Einer der Bände, die ich keinesfalls irgendwann verkaufe oder vertausche, der bleibt bei mir, den muss ich ab und zu mal wieder durchblättern, wenn ich gerade in Splatterlaune bin!

Ja, absolutes Special Genre. Normalen Lesern würde ich das nicht empfehlen. Ich glaube, man muss schon ein bisschen krank im Kopf sein, wenn man auf diesen Humor steht. Ich liebe diesen Manga, und Freunde des ungewöhnlichen Splatters werden ihn auch lieben.

SaschaSalamander 04.05.2011, 08.43

Kommentare hinzufügen

Die Kommentare werden redaktionell verwaltet und erscheinen erst nach Freischalten durch den Bloginhaber.



Kein Kommentar zu diesem Beitrag vorhanden

Einträge ges.: 3848
ø pro Tag: 0,6
Kommentare: 2802
ø pro Eintrag: 0,7
Online seit dem: 21.04.2005
in Tagen: 6938
RSS 2.0 RDF 1.0 Atom 0.3