SaschaSalamander

Ausgewählter Beitrag

Niemand liebt November

Amber, genannt November, ist wieder aus einem Heim geflüchtet. Sie ist auf der Suche nach ihren Eltern. In einer Kneipe findet sie Nahrung und Unterschlupf, in einem Treppenhaus schläft sie. Immer wieder sieht sie ein Zelt, doch es verschwindet, wenn sie sich nähert - wer ist der geheimnisvolle Junge in diesem Zelt, der ihr fremd ist und den sie schon so lange kennt? Wohin sind ihre Eltern damals so plötzlich verschwunden? Und wer ist es, der sie verfolgt und bedroht und jeden ihrer Schritte zu kennen scheint?


Vor einigen Tagen war mir recht melancholisch zumute. Und für diese Stimmung passen die Bücher von Antonia Michaelis perfekt. Wohlgewählte Worte, malerische Metaphern, sehr viel Text zwischen den Zeilen, überall schwingt ein Hauch Wehmut in dem Dreck, der inmitten all der Poesie gar nicht mehr so dreckig wirkt, sondern irgendwie geheimnisvoll, faszinierend und sogar ein wenig schön. Und unheimlich. Und am Ende zeigt sich die Realität, märchenhaft gewoben und nüchtern grau wie der Alltag. 

Die Charaktere sind wie üblich undefiniert. Gut und Böse sind hier nicht erkennbar. Sie alle haben etwas zu verbergen, sie alle tragen ihr Päckchen. Da gibt es den Mann namens Katja mit seinem Rüden namens Daisy. Der Junge, der immer wieder verschwindet. Der Mann mit den grünen Augen. Der Bedroher. Da ist November, die auch Amber ist und auch Lucy. Die Eltern werden stets aus der Sicht von November geschildert, sie werden idealisiert, auf einen Sockel gehoben, die Vergangenheit wäscht alles rein, und der jungen Frau blieben nur die Erinnerungen. 

Dadurch bleibt der Leser bis zum Schluss im Unklaren, was nun Realität und was Phantasie ist. Oder gar Wahn. Auch ist unklar, wer Täter und Opfer ist. Viele Ebenen vermischen sich, verleihen dem Buch etwas Geheimnisvolles, wie es bei Antonia Michaelis üblich ist. 

Ich habe manchmal das Gefühl, dass zwar der Inhalt sich unterscheidet in ihren Werken, auch der Spannungsbogen unterscheidet sich etwas. Aber die Machart ist immer gleich (nüchterne grausame kaltherzige Realität vermischt mit poetischen Worten und märchenhaften Elementen, zwar für Jugendliche / junge Erwachsene aber stellenweise doch sehr direkt und erbarmungslos in der meist unschönen Sexualität, ein Ende welches je nach Interpretation schön aber zugleich auch sehr traurig ist). Daher möchte ich gar nicht so viel zu diesem Buch hier schreiben. Wer sie nicht kennt, kann in meinem Blog "Michaelis" als Suchbegriff eingeben und findet unzählige Kapitelüberschriften, Zwischendurchgedanken, besondere Sätze, Rezensionen. 

Ich mag diesen Stil, mag diese Bücher. Aber ich habe ein wenig Angst, dass es sich bald abnutzt (denn dieses Gefühl überkam mich bei ihren letzten Büchern, die zwar schön aber doch irgendwie eine Wiederholung waren). Daher lese ich ihre Werke mit sehr viel zeitlichem Abstand und hole mir zwischendurch von ihr auch immer wieder Kinderbücher, die doch einem etwas anderen Muster folgen und Abwechslung zu den Jugendbüchern / Erwachsenenromanen bieten. Ich fände es schade, eines Tages die Freude an ihren Büchern zu verlieren ...

War ich nach >FRIEDHOFSKIND< ziemlich enttäuscht, konnte NIEMAND LIEBT NOVEMBER mich wieder packen. Ich fand es nicht ganz so spannend wie >NASHVILLE<, nicht ganz so geheimnisvoll wie die >NACHTIGALL< oder so märchenhaft wie den >MÄRCHENERZÄHLER< oder die >WEISSE KÖNIGIN<. Insgesamt, wenn man dieses Buch aber nicht mit anderen Werken der Autorin vergleicht, sondern für sich stehen lasst, hat es mich aber sehr berührt. Ihre Bücher gehören zu den Titeln, die sich ins Gedächtnis prägen und die man nicht vergisst. 

SaschaSalamander 20.07.2016, 08.44

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