SaschaSalamander

Ausgewählter Beitrag

Das Lufer-Haus

luferhaus_1.jpgINHALT

DAS LUFERHAUS ist kein klassisches Hörspiel sondern eine Zusammenstellung von Tondokumenten: >Die Geschichte des Luferhauses< ist überregional bekannt, da es dort spuken sollte. Der damals mit seiner Familie dort lebende Arzt Bergmann, ein Mann der Wissenschaft und von hohem Ansehen, schilderte in einem Tagebuch die Erlebnisse, bis das Tagebuch endet und die Betroffenen verschwinden. Nun, in der Gegenwart, soll das Haus abgerissen werden. Doch zuvor wollen Dr. Albrecht Lindner, Dr. Marianne Weimar, ein Assistent, zwei Tontechniker und ein Kapuzinermönch mittels Vor-Ort-Ermittlungen weitere Erkenntnisse sammeln. Das Team verschwindet spurlos, und später wird von der Polizei das zusammengestellte Tonmaterial ausgewertet und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt.


GENRE

Found Footage  (gefundene Aufnahmen aus angeblich realistischen Begebenheiten) / Mockumentary / Pseudo-Doku ist  besonders im Gruselsektor sehr beliebt. Die bekanntesten Beispiele dürften BLAIR WITCH und PARANORMAL ACTIVITIES sein. Im Hörspielsektor fällt mir spontan kein Titel ein, zumal es wirklich eines guten Teams bedarf, das umzusetzen (von der Reihe "Mitschnitt" des Labels Floff habe ich zwar schon gehört, konnte mir selbst aber noch kein Bild davon machen). Es gilt Spannung nicht mit Hilfe von verschwommenen Bildern, Nachtsichtkamera und angstverzerrten Gesichtern zu erzeugen sondern alles mit Geräuschen und Stimmen zu produzieren, atmosphärische Musik fällt als weiteres Stilmittel weg. Eine ziemliche Herausforderung, der die Lauscherlounge sich stellte und die sie nun meisterlich umgesetzt hat!


REALER BEZUG

Das Hörspiel ist nicht komplett erfunden sondern basiert auf einer realen Begebenheit. Prima finde ich >die Homepage des Hörspiels<, die einen gewissen Realismus vermittelt. Über Wikipedia kommt man auch auf ein angeblich im Eigenverlag produziertes >Buch<  zu den Hintergründen des Lufer-Hauses, was ich wirklich eine nette Idee finde, um die Fans ein wenig zu verwirren. Bei meiner Recherche heute stieß ich auf einige zusätzlichen Forenbeiträge. Auch eine nähere Suche nach dem Inhaber der Seite des angeblichen Herrn mit dem Eigenverlag bringt nette Ergebnisse. Ich finde es wirklich prima, welche Arbeit die Macher investiert haben, um auf diese Weise auf sich aufmerksam zu machen. Dass aber immer noch recht viele Leute zu glauben scheinen, dass es real ist, irritiert mich doch. Zeigt aber, wie gekonnt die Louscherlounge ihr Marketing betrieben hat, eine tolle Leistung!

Tatsächlich wurde bezogen auf den Realfall zwar einiges geändert, ist aber immer noch klar als der Fall des >Joller-Hauses< erkennbar. Aus Joller wurde Bergmann, dem Haus wurden für das Hörspiel ein paar Stockwerke hinzugefügt, die Namen der Familienmitglieder wurden natürlich auch geändert, und aus dem Schweizer Örtchen Stans wurde das Geschehen in die Nähe von Küsnacht verlegt. Die Ereignisse jedoch sind weitgehend gleich, natürlich ein wenig "dramaturgisch überarbeitet". Joller führte Tagebuch, und einige der dort auftretenden Phänomene wurden fast 1:1 übernommen.

Auch das >Parapsychologische Institut< in Freiburg existiert. Natürlich handelt es sich nicht um Lindner und Weimar, sondern um den bekannten Psychologen und Physiker >Walter von Lucadou< sowie seine Mitarbeiterin Dr. Frauke Zahradnik.


UMSETZUNG

Eine gruselige "Doku" ist ein Projekt auf schmalem Grat: Die Tonaufnahmen müssen so klar sein, dass der Hörer sie gut versteht und der gescripteten Handlung folgen kann. Dennoch muss es authentisch klingen, muss also hier und da verrauscht sein, es müssen auch unwichtige Elemente zu hören sein (denn bei einer realen Aufzeichnung weiß man ja vorab noch nicht, was wichtig sein wird). Die Sprecher müssen deutlich sprechen für den Hörer, trotzdem müssen sie so "normal" als möglich klingen inklusive kleiner Sprachfehler, Dialekte, Eigenheiten. Spannungserzeugene Musik zur Untermalung kann nicht verwendet werden. Der Hörer muss über das Geschehen informiert sein, aber im Gegensatz zu einem regulären Hörspiel dürfen die Charktere sich nicht wie sonst üblich extra für den Hörer über das Geschehen austauschen und dem Hörer dabei die Handlung erklären.

Meiner Ansicht nach ist es den Machern hervorragend gelungen! Nur ein paar kleine Mängel: Stellenweise empfand ich die Sprecher als etwas zu "sauber". Man hätte gerne etwas mehr Dialekt und sprachliche Eigenheiten einbauen können. Selten, dass sich so viele Menschen treffen, die so gut Hochdeutsch (oder verständliches Schweizerdeutsch) reden ohne einzelne Silben zu verschlucken oder leichte regionale Färbung aufzuweisen, dadurch geht ein wenig Realismus verloren. Auch die vielen Erklärungen des Mönches empfand ich als etwas gestellt. Die Aufnahmen hätten gerne etwas verrauschter oder unklarer sein dürfen, aber gut, schieben wir die gute Qualität auf die guten Mikrofone der Tontechniker, die bereits beim BND im Einsatz waren.

Die Sprecher selbst sind unverbraucht. Dadurch wird vermieden, dass der Hörer bekannte Stimmen im Ohr hat und diese mit anderen Hörspielen assoziiert. DAS LUFER HAUS wird dadurch umso realistischer. Jeder einzelne von ihnen macht seine Sache wirklich prima, wirkt absolut natürlich und vermittelt den Eindruck einer tatsächlich live entstandenen Aufzeichnung. Einzig Detlef Bierstedt ist bekannt, doch er ist der Sprecher, welcher die Dokumente ankündigt und von dem Hintergrund der Forschungen erzählt.

Die Art der Tonaufnahmen gefiel mir sehr. Die Aufnahmen wurden in einem leerstehenden Landhaus produziert. Dadurch konnten die Sprecher sich in ihre Rolle einfinden, und dadurch bekommt der Hörer statt Studiosound eine realistische Klangkulisse geboten, bei der die Leute im Raum verteilt sind und je nach Entfernung zum Mikrofon besser oder schlechter verständlich sind. Sie springen angeblich ab einem gewissen Geräuschpegel an und zeichnen automatisch auf. Die Aufnahmen für das Hörspiel wurden vom angeblichen Original zwar übernommen aber nicht bearbeitet. Das ergibt einige Logikfehler, aber die sind verzeihlich, wirklich 100% real lässt sich ein solches Projekt kaum umsetzen ;)

Es werden gelegentlich kleine Tondokumente eingefügt, die nichts zur Handlung beitragen aber quasi aufzeigen, dass die Mikrofone bei Geräuschentwicklung reagieren, z.B. das Schnarchen. Oder besonders nett fand ich die Idee, dass einer der Beteiligten sich vor dem Schlafengehen noch eine alte Folge der drei Fragezeichen anhört. Die Spannungen einzelner Charaktere untereinander werden sehr gut dargestellt. Insgesamt betrachtet wird alles sehr glaubhaft und hat im Internet schon einige Diskussionen über die Realität des Hörspieles entfacht, die nicht von den Machern initiiert waren.

Es bleiben viele Fragen zum Ende hin offen. Was ich nicht als Schwäche ansehe, sondern als Teil der Umsetzung. Man kann nicht eine perfekt abgeschlossene Geschichte im gefundenen Tonmaterial erwarten, wenn Leute wie auf diese Weise verschwinden. Ohne ungelöste Geheimnisse wäre dieses Hörspiel wohl nur halb so interessant ;-)


ATMOSPHÄRE

Die Atmosphäre entsteht vor allem durch das, was der Hörer sich vorstellt. Man denke an die Szene aus BLAIR WITCH, als jemand etwas Unerkennbares (ein abgetrennter Finger?) in die Kamera hält. Alle gruseln sich, und dabei weiß man eigentlich nicht einmal, was es ist. Und ähnlich ist es im LUFER-HAUS. Wer nichts übrig hat für Gänsehaut, wer alles als Humbug abwinkt und sich auch sonst nicht für das Thema interessiert, der wird das Hörspiel vermutlich auch nicht spannend finden. Ein paar Leute, die in einem Haus sind und sich gruseln, nur weil irgendein Nachbar ein paar Gegenstände verschoben hat, nur weil irgendwelche Nager auf dem Dachboden huschen? Nein, stocksteife Realisten kann das nicht überzeugen. Aber für solche Leute ist das Hörspiel ja auch nicht gedacht ;-)

Wer solche Geschichten mag, die sogar noch auf einer realen Begebenheit beruhen, der wird im Kopf entsprechende Bilder produzieren. Dafür bieten die Aufnahmen allerbestes Futter. Jede Menge Raum für freie Interpretationen und darum herum einige zusätzlichen Informationen, um das Kopfkino so richtig anzukurbeln. Auch die unheimlichen Ereignisse tragen dazu bei, dass Fans das Hörspiel auf jeden Fall nachts alleine im Dunkeln mit Kopfhörern genießen sollten und sich bestimmt recht nett gruseln werden ;-)


FAZIT

Das LUFERHAUS ist wirklich ein Glanzstück des Labels. Mit einfachen Mitteln entstand ein gelungenes Projekt, das durch den realen Bezug zum Joller-Haus und die glaubhafte  Umsetzung der Tondokumente einen ganz besonderen Grusel verspricht. Für Geisterfreunde und Hörspielfans ein Titel, den man auf keinen Fall verpassen darf!

SaschaSalamander 15.03.2012, 09.22

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Kommentare zu diesem Beitrag

3. von Tina

Jetzt antworte ich doch gleich nochmal hier, weil der Beitrag zu "Open the door" schon recht lange her ist. Hatte mich auch gewundert, dass ich den gar nicht kannte, aber ich weiß gar nicht, ob ich 2006 dein Blog schon gelesen habe - bzw. haben mich damals Hörbücher und -spiele nicht interessiert.

Ich muss ehrlich zugeben, dass ich "Open the door" nicht gut fand, mir kam die Reaktion von Bo total übertrieben vor - und ich hab mich die ganze Zeit nicht gegruselt. Kann natürlich sein, dass ich inzwischen zu viele so "Mindfuck" Filme gesehen habe, weil mir relativ schnell klar war, auf was in der Art das Ganze hinauslaufen wird...

Ähnlich ging es mir bei "Der Prinzessin" - wobei ich da zwei Geschichten ehrlich gesagt richtig geschmacklos fand. Die weiteren Episoden hab ich mir deshalb auch gespart. Bin gespannt wie dir das Ganze gefallen wird.

Mag aber auch daran liegen, dass ich mich am meisten bei so Geisterkram grusele, und dagegen so "Metzelfilme" - außer es geht um Zombies - nicht ertragen kann und auch eher widerlich als gruselig finde.

Gerade habe ich die erste Folge von "Darkside Park" gehört, auch nicht so recht gruselig, aber interssant genug, dass ich zumindest mal die zweite Folge hören will :) . Soviel mal dazu - wenn du sonst Tipps zu Gruselkram hast, bin ich immer neugierig.

vom 16.03.2012, 01.53
Antwort von SaschaSalamander:

weiß ich nicht mehr, ob Du da schon gelesen hast. Was ich weiß, wir hatten damals u.a. auch Kontakt wegen der Pelzwusel, da hatte ich schon Frettchen, glaube ich ... aber ist ja auch egal. Mal ehrlich, ich habe seitdem SO viel geschrieben, es wäre unglaublich, wenn Du Dich an jeden einzelnen Beitrag erinnern könntest, das kann ja schließlich nicht mal ich selbst ;-)

Hm, ich kam damals nicht sofort aufs Ende, vielleicht hatte ich da zu wenige Filme dieser Art gehesen, bzw zu wenige Hörspiele gehört. Hörspiele haben teils ihre ganz eigenen Regeln, inzwischen kenne ich die, aber damals war das für mich noch komplett neu ...

Was der Prinzessin betrifft, muss ich wohl endlich mal hören, ständig erzählt mir jmd davon, und ich kann nix dazu sagen!

Tipps zu Gruselkram, na, da stelle ich am besten dieser Tage noch was vor. Für eine Rezi ist es schon zu lange her, aber ein paar kurze Eindrücke. Hab nämlich noch etwas sehr, sehr Schönes gehört, auch ein kleines unbekanntes Label ...




2. von Tina

Hab neulich beim Stöbern in einem Forum darüber gelesen und es letzte Woche auch endlich gehört - und mir hat es richtig gut gefallen. Hab mich einige Male ziemlich gegruselt, auch wenn es für meinen Geschmack ruhig noch etwas länger hätte gehen können, das Ende kam doch recht plötzlich.
Wobei ich fairerweise auch noch sagen muss, dass die meisten Leute in diesem Forum, das Hörspiel nicht gruselig fanden - dafür aber andere (z.B. Der Prinzessin oder Öffne die Tür- Open the Door) die ich überhaupt nicht gruselig fand. Ich denke man braucht schon ein bisschen Fantasie um sich in die Geschichte hineinzuversetzen und man sollte Geistern und so etwas nicht ganz abgeneigt sein :zwinker: .

vom 15.03.2012, 13.03
Antwort von SaschaSalamander:

ja, ob man sich gruselt oder nicht ist Ansichtssache. Der Prinzessin liegt noch vor mir, schon viel davon gehört. Und Öffne die Tür, puuh, das hat mich wirklich SEHR gegruselt:

http://sarasalamander.de/kommentare/oeffne-die-tuer....897/

Öffne die Tür ist eines der wenigen, wo ich wirklich die Arbeit unterbrechen musste und nichts mehr nebenher machen konnte, ich erinnere mich noch heute, wie ich mit dem Staubsauger vor dem Degukäfig stand, den ich grade säubern wollte vom Streu, und da hab ich alles beiseite gelegt, mich aufs Sofa gesetzt und nur noch gehört und wonnig gegruselt. Während das Lufer-Haus jetzt eher ein netter Grusel nebenbei war, der mich aber nicht lange nachhielt (vielleicht, weil ich mich davor zufälligerweise ausführlich mti dem Joller-Haus beschäftigt hatte und es quasi eine Art gut umgesetzte Wiederholung für mich war). Aber von der Machart her ist das Lufer-Haus schon etwas, das einigen Leuten ordentlich Gänsehaut einjagen wird, und ich fand es genial gemacht :-)

1. von Kerstin

Ich finds einfach toll auf deinem Blog Dinge zu finden auf die man sonst nicht unbedingt stoßen würden, die sich einfach erfrischend vom Mainstream abheben.
Ich bin zwar kein Hörspielfan (zumindestens seit Kindertagen keins mehr gehört ;-) ) - aber ich zähle The Blair Witch Projekt zu meinen absoluten Lieblingsfilmen und mag dieses subtile Gruseln. Wozu natürlich auch beiträgt dass es hier auf tatsächlichen Begebenheiten beruht. AUch die Homepage ist toll gemacht!
Das Luferhaus ist nun schon auf meinem Merkzettel, ist das Hörspiel ungekürzt 2 Stunden lang?
Vielen Dank für diesen tollen Tip!!! :wink:

vom 15.03.2012, 10.29
Antwort von SaschaSalamander:

Das freut mich, danke :-)
Gebe mir auch Mühe, wirklich eine bunte Palette hier zu präsentieren, wie man ja diese Woche auch sieht, ob mit Manga, Computerspiele, Hörspiele, Hörbücher oder Bücher ... immer nur Mainstream wird schnell langweilig ;-)

Was Hörspiele betrifft, da gibt es wirklcih richtige Perlen für Erwachsene, nicht nur im Horrorbereich aber gerade dort ...



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