SaschaSalamander

Ausgewählter Beitrag

Disclosure

Ich habe direkt nach Erscheinen die Doku DISCLOSURE - HOLLYWOODS BILD VON TRANSGENDER auf Netflix angesehen. Rezensieren möchte ich es nicht, dazu gibt es schon zu viele Beiträge im Netz. Aber meine Gedanken teilen und es Euch von Herzen empfehlen möchte ich trotzdem.


Es ist eine Doku nicht über, sondern von und mit transidenten und nonbinären Personen aus der Filmbranche, in welcher die Filmgeschichte von den Zeiten der ersten Stummfilme bis heute beleuchtet wird. Darunter viele bekannte Namen, ich verweise auf >die Homepage< des Films. Ich war erfreut und es tat gut, so viele Mitwirkende zu sehen: als Schauspieler, Drehbuchautoren, Regisseure, am Set. Und sie alle trugen ihren Teil dazu bei, die Welt des Films näher zu beleuchten.

Sehr schön ist, dass es nicht die Whitewashing-Variante war, sondern viele POC zu Wort kamen. Das ist noch einmal ein ganz eigenes Thema. Vor allem in Hinblick auf Filme wie STONEWALL oder BOYS DON´T CRY, in denen einige Charaktere "weißgewaschen" oder komplett entfernt wurden, waren diese Beiträge sehr wertvoll und wichtig.

Die Doku war ein Wechselbad der Gefühle: originale Szenen aus alten und neuen Filmen, in denen Trans*Personen Ekel hervorrufen (CRYING GAME), als Psychopathen auftreten (wobei auch gerne Crossdressing und Trans in einen Topf geworfen werden, siehe PSYCHO, SCHWEIGEN DER LÄMMER), kurz nach ihrer Enthüllung sterben (BOYS DON´T CRY) oder als Witzfigur in entwürdigender Weise dargestellt wurden (ACE VENTURA). Sie sind Opfer, werden vergewaltigt, müssen sich prostituieren, werden ermordet. Gelten sogar als zu weiblich und bekommen nachträglich eine tiefere Stimme verpasst, damit der Zuschauer auch niemals vergisst, dass er einen "Mann" vor sich sieht. Auch Ausschnitte aus Talkshows werden eingeblendet, in denen die Moderatoren Fragen weit unter der Gürtellinie stellen oder Personen nach ihrem Outing beschimpft und entpersonalisiert werden.

Erstaunt war ich auch über die Vielzahl der Filme, die ich alle kannte aber gar nicht in dieser Masse wahrgenommen hatte bisher. Das heißt, das Bild eines Films wird verinnerlicht, ohne sich tatsächlich weiterführende Gedanken zu machen oder es bewusst zu hinterfragen. Und ja, es gehörten auch frühere Lieblingsfilme dazu, deren Transanteil ich tatsächlich verdrängt hatte. Es tat mir sehr gut zu hören, dass es anderen Personen ebenso ging: dass sie die Filme früher mochten und heute rückblickend schockiert sind.

Man sah den Interviewten an, wiesehr es sie bewegte, was sie erzählten und erlebt hatten. Sie erklären Dinge, die logisch und offensichtlich sind, so aber bisher nicht benannt wurden und dadurch unsichtbar waren.

Es wird sehr genau beleuchtet, was das sowohl mit dem Zuschauer als auch den betroffenen Trans*Personen macht und auf welche Weise es die Wahrnehmung der Gesellschaft über Transidentität prägt. Und warum es wichtig ist, dass Trans*Personen tatsächlich von Transfrauen und Transmännern verkörpert werden statt von CIS-Schauspielern (hielt ich selbst bis dato für irrelevant, konnte das Argument aber sehr gut nachvollziehen und finde es überaus wichtig für die Wahrnehmung nach außen).

Während ich anfangs vor allem wütend, traurig und schockiert war, viel in mir aufgewühlt wurde, wandelte sich das Bild schrittweise, wurde stolzer, offener, positiver. Es gibt noch immer ungünstige Darstellungen, doch die Filmbranche wird sensibler und reagiert entsprechend.

Insgesamt kann ich die Doku wirklich nur allen empfehlen. Sie ist fundiert recherchiert, bewegend und emotional aber nicht kitschig. Und vor allem kommen Menschen zu Wort, die tatsächlich etwas zu sagen haben und dazu beigetragen haben, dass das Bild sich heute zum Positiven entwickeln kann. Danke, danke, danke!

Ich empfehle es Queers, um eigene verinnerlichte Bilder zu hinterfragen und die Mechanismen dahinter besser zu begreifen. Und ich empfehle es Außenstehenden, damit sie sich dieser Bilder aus dem Fernsehen bewusst werden und ihre daraus resultierenden Vorurteile abbauen.

SaschaSalamander 01.07.2020, 09.39

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