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Hattest Du eigentlich schon die OP?
KLAPPENTEXT
Ari, Lilly, Paul und Ray erzählen aus ihrem Leben als Transgender
PEER JONGELING
Auf der >Homepage< kann man mehr über Peer erfahren. Auch auf der zum Buch gehörigen Seite des >Jaja-Verlags< stehen ein paar kurze Informationen. Selbst kann ich nicht viel dazu sagen, da ich bisher noch nichts von Peer gelesen oder gesehen habe. Aber Ihr könnt ja ein wenig auf Instagram stöbern, da gibt es viele spannenden Bilder, Cartoons und anderen Dinge zu entdecken, mit denen die Person besser greifbar wird und man zwischen den Zeilen einiges erfährt ;-)
ZEICHNUNGEN
Die Zeichnungen sind ... eigenwillig. Bewerten möchte ich sie nicht, da ich selbst wenig damit anfangen kann und mir nicht anmaßen will, kritisch über Kunst zu urteilen. Und ja, als Kunst empfinde ich die Zeichnungen, da sie sehr viel bei den Lesenden auslösen, sehr individuell gestaltet sind und eine Botschaft über den Strich hinaus transportieren. Daher möchte ich nur grob erzählen, was ich sehe:
das Cover ist ist ein grell leuchtendes Neon-Orange mit verwobenen weißen Armen und Ranken vor einem blauen Hintergrund. Es gibt keine Proportionen, Fluchtpunkte, alles wirkt wie ein großes Durcheinander, für mich ist das irritierend, zugleich zieht es mich ziemlich in seinen Bann. Auch passt es sehr gut zur Kernaussage des Buches, dass das Cover nicht punktgenau sondern verwoben ist und man genauer hinsehen muss, um es zu erfassen.
Der Comic selbst ist rein in blau / weiß gehalten. Keine feinen Details, keine Hintergründe, Landschaften, keine Rasterfolie. Nur die Figuren. Schraffiert, gestrichelt, skizziert, keine Schattierungen oder Abstufungen. Extrem minimalistisch und dadurch ziemlich eindringlich, die Gesichtsausdrücke ebenfalls sehr aufs Minimum reduziert.
INHALT
Auf nur 36 Seiten wird sehr viel Inhalt vermittelt. Zuerst gibt es eine kurze Erklärung über die wichtigsten Begriffe rund um die Themen Geschlecht, Gender und Transidentität sowie die Stationen auf dem Weg der Transition. Dann folgen kleine Episoden mit Ari, Lilly, Paul und Ray.
Diese Episoden zeigen den Alltag transidenter Menschen, etwa beim Einkaufen, beim Arzt, mit ihrer Sexualität, beim Outing, Kennenlernen etc. Und so kurz die Kapitel jeweils sind, steckt unglaublich viel Inhalt in ihnen.
Gerade einmal 5 Seiten kurz ist zum Beispiel das Kapitel "Ärztehorror", es hat nur sehr wenige Panels pro Seite, und nur sehr wenig wird gesprochen. Und doch gelingt es Peer, unglaublich viele Themen in diese Seiten zu packen und den Lesenden einen sehr guten Einblick zu bieten, mit welchen Schwierigkeiten man als Trans*Person beim Vereinbaren des Termins, im Wartezimmer, mit der Sprechstundenhilfe, bei der Ärztin, während der Untersuchung konfrontiert sein kann.
Manchmal ist das Buch wirklich zum Fremdschämen! Wenn die Ärztin unter dem Deckmantel von "ich meine es doch nur nett" so respektlos handelt. Wenn die Gutachter übergriffige und unnötige Fragen stellen. Wenn Personen auf einer Party interessiert wirken und die nette Konversation im Grunde nichts anderes als sensationsgeile Neugier ist, ja sogar Wetten abgeschlossen werden. Und dann gibt es wunderschöne Kapitel, in denen die Menschen einfach nur sind, wer und wie sie sind, ganz egal welchen Geschlechts und welchen Namens, sie leben ihr Leben und genießen den Moment.
So heftig manches davon im ersten Moment ist, wird es doch witzig verpackt, nimmt dem Drama die Spitze und wird tiefgründig unterhaltsam präsentiert. Die Protagonisten gehen recht locker mit dem Thema um, strahlen Lebensfreude und Selbstbewusstsein aus. All das, was hier passiert, hat wohl fast jede*r, wer den Weg geht, 1:1 so erlebt.
Vor allem ist es schön, dass auch Nonbinaries oder Transidente ohne Operationen und angleichende körperliche Maßnahmen zu Wort kommen. Das Büchlein zeigt die unglaubliche Vielfalt des Themas, geht einige Schritte über die oft binären Trans-Lebensläufe anderer Bücher und Comics hinaus.
EIGENE MEINUNG
Die Zeichnungen sind Geschmackssache, mich persönlich haben sie nicht angesprochen. Allerdings gefällt es mir sehr, wenn Künstler von der Norm abweichen und einen eigenen kreativen Stil entwickeln. Das hat Peer hier eindeutig getan. Auch passen die Bilder hervorragend zum Inhalt und vermitteln den Inhalt sehr gelungen. Was mich beeindruckt ist, wie mit so simplen Zeichnungen und extrem wenigen Worten so viel Inhalt in das Heft gepackt wurde, ohne dass es überfrachtet wäre oder den Leser überfordert.
FAZIT
Für konkretere Infos oder eine tiefergehende Auseinandersetzung mit dem Thema würde ich andere Werke empfehlen. Aber Außenstehenden bietet das Büchlein einen sehr schönen ersten Einblick, weckt Empathie. Betroffene können sich darin wiederfinden und verstanden fühlen. Und Suchende erkennen, dass es nicht "den einen" Weg sondern unzählige Möglichkeiten gibt. Als kleiner Happen für zwischendurch ist Peer Jongelings Werk auf jeden Fall zu empfehlen.
SaschaSalamander 15.06.2020, 09.45
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