SaschaSalamander

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One Second After - Die Welt ohne Strom

Bis gerade eben führte der Protagonist noch ein völlig normales Leben als Kriegsveteran und nun als Geschichtsprofessor, als verwitweter Vater zweier Kinder. Und plötzlich - keine Autos, kein Licht, kein Fernseher, kein Toaster, kein Diabetesmessgerät. Was wirklich geschehen ist, wissen die Menschen nicht, denn sie sind von jeglicher moderner Kommunikation abgeschlossen, und da auch die Transportwege nicht mehr genutzt werden können, erhalten sie keine Information von außen. Geliebte Menschen, die nicht vor Ort waren (Dienstreise, Urlaub) sind weg, und fremde Menschen, die auf der Durchreise waren, sind plötzlich da. Streit, Plünderung, Krankheitsfälle, und jeder ist sich selbst der nächste. Was ist geschehen? Wie lange wird dieser Zustand andauern? Und wer wird überleben?


Ein Buch von hochbrisantem und packendem Inhalt. Es ist gar nicht so futuristisch, wie es für manchen klingen mag, und das Szenario eines möglichen EMP-Angriffes wurde sehr schön ausgearbeitet. Es werden sehr viele Situationen geschildert, an die man im ersten Moment nicht denkt, wenn man sich "plötzlich keinerlei Elektrizität mehr" vorzustellen versucht. Etwa abstürzende Flugzeuge, das Versagen jeglicher Notstromaggregate, kein Zugang zu normalem Trinkwasser und vieles mehr. Auch die Langzeitfolgen und indirekt daraus resultierenden Konsequenzen werden sehr schön beschrieben, etwa wenn die Lieferung von Medikamenten und Nahrungsmitteln ausbleibt und bestehende Bestände nicht gekühlt werden können. Sich ausbreitende Seuchen, Mangelernährung. Und natürlich soziale Konsequenzen, wie man sie aus Szenarien wie HERR DER FLIEGEN, WALKING DEAD oder vielen anderen kennt, wo Menschen ohne eine Kontrolle durch Recht und Gesetz ihre Gruppe neu strukturieren müssen. 

Dieses Buch hätte ich mir von Andreas Eschbach gewünscht, er hätte daraus wohl wieder einmal ein Meisterwerk gemacht. Den Autor William R. Forstchen kenne ich nicht, aber ich habe nach diesem Buch auch wenig Lust auf mehr. Nach etwa einem Drittel hörte ich das Buch nur noch wegen des interessanten Szenarios. Die Charaktere sowie die Umsetzung konnten mich nicht fesseln. 

Einer der Gründe ist, dass alles recht vorhersehbar ist. Gut, das Buch entwickelt sich weiter, die Veränderungen an den Menschen, in der Umwelt und im Sozialverhalten werden hervorragend geschildert. Leider fast schon etwas zu gut, denn ich hätte gerne mehrmals den Protagonisten und die anderen Beteiligten mit dem Kopf an die Wand geschlagen für ihre Verhaltensweisen. Ja, es ist leider durchaus realistisch, sei es nun die Lynchjustiz, das Ausgrenzen der Fremden oder auch der Gedanke an den eigenen Vorteil, wenn nur noch das nackte Überleben zählt. Aber das haben wir in zig Filmen und Büchern bereits erfahren, und das haut den Leser nicht mehr vom Hocker. 

Aber wirklich schlimm ist, wie amerikanisch patriotisch das Buch daherkommt. Mir ist unklar, ob der Autor das verherrlicht oder ironisch persifliert, es wirkt aber eher nach einer Verherrlichung. "Wir Amerikaner", "Unser Amerika", "Die Vereinigte Nation". "Amerikaner dürfen nicht" und "Amerikaner sollten aber" und "wir dürfen niemals vergessen, dass wir Amerikaner sind". Wäre das Hörbuch ein Trinkspiel, ich wäre nach einem einzigen Track rotzbesoffen gewesen vor lauter sternengesprenkelten Bannern. 

Es ist kein Buch, das die Menschheit beschreibt, sondern es ist ein amerikanisches Buch, das nur an sich selbst zu denken scheint. Dadurch hat es meiner Ansicht nach sehr viel an Mehrwert verloren und ist teilweise auch für viele Leser uninteressant. Es gibt kaum Identifikationsfiguren, sie sind alle sehr stereotyp und sowas von amerikanisch, dass es nur noch lästig ist. Die Bewohner Amerikas sind keine Menschen, sondern Amerikaner, das scheint ein Unterschied, wenn man dem Autoren Glauben schenken darf.

Nun ja, wie gesagt: ich habe es zu Ende gehört. Weil das Szenario an sich sehr gut beschrieben war. Teilweise sehr heftig, aber durchaus realistisch. Es ist erschreckend, wie schnell ein Großteil der Menschen binnen weniger Tage bereits zum Tode verurteilt ist, und noch erschreckender, wie glaubwürdig der Verfall der Menschheit hier geschildert wurde. 

Einige der Szenen sind mir sehr eindrücklich im Gedächtnis geblieben. Das Buch selbst allerdings habe ich nach wenigen Tagen schon wieder vergessen, weil es eben nicht wirklich etwas Besonderes war. Das Szenario "EMP-Angriff" war neu für mich, aber das Setting "die Menschen beginnen sich gegenseitig zu vernichten" ist einfach zu breitgetreten inzwischen. Und der überzogene Patriotismus dürfte den meisten Lesern jenseits des großen Ozeans wohl ziemlich sauer aufstoßen. 

Trotz allem: auch, wenn ich viel daran auszusetzen habe, würde ich ONE SECOND AFTER eindringlich empfehlen. Weil die Möglichkeit eines solchen Angriffes sehr gut herausgearbeitet wurde und der Autor scheinbar wirklich prima recherchiert hat. Man merkt, dass er weiter gedacht als nur bis zur Steckdose. Ich habe einiges gelernt und bekam sehr interessante Gedankengänge präsentiert, die das Hören durchaus wert waren!

SaschaSalamander 26.03.2015, 08.40

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