SaschaSalamander

Ausgewählter Beitrag

Breite statt Tiefe

Ein paar Gedanken zwischendurch. Über dicke Bücher. Ich liebe dicke Bücher. Aber ich frage mich manchmal, ob der Stil sich geändert hat, ob ich die Bücher heutzutage anders wahrnehme, oder ob sich mein Leseverhalten geändert hat hinsichtlich der Genres und der Intention des Lesens. Vermutlich wohl von allem ein bisschen.

Ich finde es gut, wenn Bücher neben der Handlung auch Atmosphäre vermitteln. Wenn ich die Charaktere kennenlerne. Wenn auch Nebencharaktere gut und ausführlich beschrieben werden. Wenn es nicht nur stur um die Handlung geht, sondern das Drumrum beschrieben wird. Doch auf der anderen Seite stelle ich fest, dass es immer häufiger vorzukommen scheint, dass die Autoren sich in Belanglosigkeiten verlieren.

Besonders früh fiel mir das auf bei Stephen King und Wolfgang Hohlbein. Die Bücher wurden immer dicker, aber der Inhalt wuchs nicht mit. Zum allerersten Mal wirklich geärgert habe ich mich dann bei Hohlbein, als eine Szene von wenigen Sekunden auf fast 10 Seiten ausgedehnt wurde. Detailgetreu schön, aber muss man so übertreiben?

Und aktuell bei dem Übergang bin ich wieder extrem gefrustet. Schon von sehr vielen Seiten habe ich gehört "durchhalten, es wird besser". Aber ich denke mir, dass ich jetzt ein knappes Viertel gelesen habe, und der Autor kam noch immer nicht in die Pötte. 250 Seiten, und noch immer geht es nicht um das, worum es eigentlich gehen soll, noch immer wird die Vorgeschichte erzählt.

Ist ja schön, wenn ich soviel über die Wachleute erfahre, die in den Zellen putzen müssen. Und wenn die Vorgeschichte des Detektives erzählt wird. Wenn ich erfahre, wie ihre Mutter gelebt hat und welch tragische Geschichte die Nonne in ihrer Vergangenheit erlebte und wer Fannigan ist und wer die Forscher im Dschungel sind und was weiß ich nicht alles. Aber nach 250 Seiten will ich nicht über hundert verschiedene unwichtige Personen lesen (falls sie wichtig sein sollten, habe ich bis dahin ihre NAmen eh wieder vergessen), sondern ich will wissen, was mit Amy los ist.

Wie empfindet Ihr das? Habt Ihr den Eindruck, dass die Bücher immer dicker werden, ohne jedoch an Inhalt zu gewinnen? Oder findet Ihr es toll, dass die Autoren sich so viel Zeit nehmen, alles genau zu beschreiben, damit der Leser richtig abtauchen kann? Fandet Ihr das früher (was ist früher? Vor einigen Jahren, bevor der große Fantasy - Serien - Hype ausbrach) auch schon so auffällig?

Vielleicht liegt es auch daran, dass ich inzwischen nicht mehr nur lese des Vergnügens willens, sondern auch der Rezensionen und des Mitredens wegen. Vielleicht habe ich mir früher mehr Zeit für Bücher gelassen und konnte sie in Ruhe genießen, während Umwege mich heute nerven?

Wie gesagt, ich habe prinzipiell nichts gegen dicke Bücher. Ich denke etwa an die Elenden, wo es ebenfalls sehr viele Nebenfiguren gibt. Noch bevor die Handlung startet gibt es ja bald 100 Seiten nur über den Bischof von Digne, doch diese habe ich verschlungen, da hatte ich das Gefühl, etwas Bedeutendes zu lesen (nicht weil es ein Klassiker ist, sondern weil die Literatur inhaltlich mir so viel geben konnte, wie es die Erzählung von kotzenden Leuten und Hamburger und fettigen Haaren und Sex im Hinterzimmer in modernen Büchern eben nicht geben können, weil es nun modern ist, so zu schreiben). Oder der Herr der Ringe besteht ja auch massig aus Landschaftsbeschreibung. Aber die konnte man weglassen, da wusste man wenigstens, woran man war, bei den neueren Büchern weiß ich oft nicht, ob die Person noch wichtig sein wird und ich nun überfliegen kann oder genau aufpassen muss.

Lest Ihr gerne Bücher, die man um die Hälfte hätte kürzen können? Mögt Ihr es lieber kurz und knackig, oder lieber ausschweifend und auf Umwegen? Wie wichtig ist Euch beim Lesen das Verhältnis von Inhalt im Vergleich zur Menge des Geschriebenen?

SaschaSalamander 13.12.2010, 15.33

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Kommentare zu diesem Beitrag

1. von Sonja

Mir geht's wie Dir: ich hab auch das Gefühl, dass nur noch alles in die Länge gedehnt wird, weil vielleicht der Verlag sogar einen gewissen Umfang vorgibt. Selbst aus so manchem "Durchschnittsbuch" könnte man locker ein Essay machen.
Und den Übergang (ich hatte das engl. Original gelesen) fand ich auch furchtbar! Ich hab zwar durchgehalten bis zum Schluss, aber ich hatte nicht das Gefühl, dass es besser wurde. Es hat mich unglaublich gelangweilt...
LG
Sonja

vom 13.12.2010, 16.53
Antwort von SaschaSalamander:

ja, das kann sein, manche Verlage haben ja auch Vorgaben. Und Fantasy-Trilogien sind ja im Moment DER Renner, wenn man was veröffentlichen will ...

freut mich, dass auch Dir der Übergang so schwerfiel. Bin jetzt rund auf Seite 300, und ich bin echt am Überlegen, ob und wie es weitergehen wird und ob ich mir das antue, so spannend die Handlung (die von den 300 Seiten bisher auch gut auf maximal 100 gepasst hätte, wenn man es langatmig mag) auch sein mag ...

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