SaschaSalamander

Ausgewählter Beitrag

Das Freu

Klappentext: 

Seit dem Umzug fühlt sich Mafalda oft einsam. Ihre Stiefmutter mag sie nicht und ihr Vater ist ständig beruflich unterwegs. Mafalda findet Trost im verwilderten Nachbargarten. Dort scheint ein seltsames magisches Wesen zu hausen, das die Nachbarin ein »Freu« nennt. Als ihr Vater ihr eines Tages einen Fortunator schenkt, eine Brille, die »glücklich macht«, ist Mafalda zunächst begeistert. Zusammen mit einem niedlichen Kätzchen erlebt sie lustige Abenteuer in virtuellen Realitäten. Doch bald erkennt Mafalda, dass die Menschen nicht glücklicher werden, wenn sie die Wirklichkeit nicht mehr sehen können. Gemeinsam mit dem Freu nimmt sie den Kampf gegen die übermächtige True Happiness Corporation auf ...


>Karl Olsberg< gehört ebenfalls zu meinen deutschen Lieblingsautoren. Ich habe nicht alles von ihm gelesen, schätze aber sehr seine Bücher rund um Künstliche Intelligenz, sei es für Kinder, Jugend oder Erwachsene. Man erkennt sehr schnell, dass er sehr genau weiß, wovon der da schreibt und was er den Menschen mitteilen möchte. Er ist nicht pro oder contra Technik, sondern ein schönes Zitat auf seiner Homepage sagt klar: "Unser Problem ist nicht künstliche Intelligenz, sondern menschliche Dummheit". Oder, anders formuliert: Technik ist toll - falls man sie richtig zu nutzen versteht. Das kam auch schon sehr gut in >MIRROR< zum Ausdruck.

DAS FREU ist eines seiner Kinderbücher und behandelt das Thema "Umgang mit virtueller Realität". Die Botschaft ist klar und simpel: Technik ist toll und kann uns im Alltag eine große Hilfe sein. Aber es ist wichtig, dass wir die Technik kontrollieren und nicht umgekehrt. Glück kann nicht durch Illusionen geschenkt werden, wir müssen es selbst in der Realität erleben und darauf einlassen.

Kindgerecht sind die Charaktere sehr schlicht aufgebaut. Es ist nicht unterteilt in "gut" und "böse". Vielmehr sind Charaktere positiv und freundlich gestimmt, wenn sie sich der Realität stellen, dem Mädchen zuhören und aufmerksam für den Moment sind. Sie werden gereizt, schlecht gelaunt und verärgert, wenn sie sich zusehr in ihrer virtuellen Welt verlieren. Mafalda selbst ist eine passende Identifikationsfigur für junge Leseratten: sie hat jede Menge Flausen im Kopf (so die Aussage der Erwachsenen), die im Grunde nichts anderes sind als offene, kindliche Phantasie. Sie wünscht sich nichts sehnlicher als Zeit mit ihrer Familie zu verbringen und Glück zu finden im Zoo, im Garten, mit ihrem Vater, mit ihren Freundinnen, doch statt dessen wird sie immer wieder getadelt. Auch als Erwachsener kann man sich gut hineinversetzen, fühlt wieder das kindliche Glück der Neugier, möchte träumen und sich einfach nur beobachtend in die Natur setzen.

Die anderen Werke, die ich gelesen habe, waren zwar ebenfalls einfach gehalten, hier jedoch ist er noch ein paar Schritte zurück, um kindgerechter zu schreiben. Offensichtliche Aussagen werden dennoch genau erklärt. Teilweise auf mehrfach in unterschiedlichen Worten (zB wenn erst Hilke etwas Mafalda erklärt und diese es dann ihrem Vater, ihrer Stiefmutter, dem Leiter der True Happiness, später dem Kater erklärt und dann am Ende noch einmal den Klassenkameraden). Auch gibt es sich stets wiederkehrende Worte und Sätze, mit denen die jeweilige Situation unterstrichen wird. Ich fand es zugegeben irgendwann ermüdend und habe irgendwann mit den Augen gerollt, weniger Erklärungen und Wiederholungen wären zumindest für ältere Leser angenehmer gewesen. Mir ist jedoch klar, dass ich nicht die Hauptzielgruppe des Buches bin, deswegen kann ich gut darüber hinwegsehen.

Der Spannungsaufbau ist etwas lang. Der Anfang zieht sich einige Zeit hin, bis Mafalda dann einen Fortunator bekommt und bis sie auf das erste Freu trifft. Zu Beginn hatte ich darüber nachgedacht, ob ich wirklich weiterlesen möchte, aber die Aussicht auf das eigentliche Thema haben mich (zum Glück) weiterlesen lassen.

Man hätte die Geschichte meiner Ansicht nach kürzer erzählen können statt sich in Wiederholungen zu ergehen. Es gibt zwischendurch kleine Höhepunkte und Spannungsmomente, um dann wieder abzuflauen, auf diese Weise bleibt es spannend. Trotzdem finde ich das Buch insgesamt etwas zu lang und trotz seiner an sich sehr schönen Aussage gelegentlich ermüdend. Aber: persönliche Meinung, manchen Leser könnte genau das hierbei gefallen ;-)

Die Aussage des Buches selbst wird, je weiter die Handlung voranschreitet immer besser. Während es anfangs vor allem noch rein um den Umgang mit Realität geht (virtuell vs real), wird es gegen Ende immer philosophischer, ja teils sogar spirituell (wer sich mit verschiedenen Formen der Meditation befasst, wird hier sehr viel entdecken, das er sonst aus anderem Kontext kennt). Mir gefallen vor allem Mafaldas Denkweisen "out of the box", mit denen sie neben den offensichtlichen klassischen Lösungen neue Wege entdeckt.

Kinderbücher und Erwachsene - schwieriges Thema, denn auch Erwachsene lesen Kinderbücher. Aber dennoch gibt es Unterschiede, weil manche Bücher sich (auch) an junge Leser richten, andere dagegen ausschließlich. In der ersten Hälfte des Buches fühlte ich mich als Erwachsener ziemlich fehl am Platz, doch dann wurde es immer besser. Stellenweise fühlte ich mich im späteren Verlauf der Handlung stark an Michael Endes Meisterwerke MOMO und DIE UNENDLICHE GESCHICHTE erinnert. MOMO, die als kleines Mädchen die Erwachsenen die wahre Bedeutung von Glück lehrt. Und DIE UNENDLICHE GESCHICHTE, in der Realität und Phantasie nur miteinander existieren können und der Mensch sein wahres Innere, seinen wahren Wunsch erkennen muss.

Ich empfehle dieses Buch vor allem jungen Lesern, aber auch neugierigen Erwachsenen. Ältere Leser sollten sich aber etwas Zeit nehmen, bis die Geschichte sich entwickelt. Dann werden sie belohnt mit einem wunderschönen Wohlfühl-Buch, das eine offensichtliche Botschaft hübsch verpackt. Mafalda ist eine junge Heldin, die man gerne in sein Herz schließt ...

SaschaSalamander 11.11.2019, 09.51

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