SaschaSalamander

Ausgewählter Beitrag

Elwenfels

Klappentext: Zum ersten Mal bringt Kabarettist Chako Habekost die comedyantische Pfälzer Highmat-Kunde seiner erfolgreichen Bühnenshows auf pointierte Weise in einen Roman ein. Zusammen mit seiner Frau Britta Habekost erzählt er die Geschichte des Hamburger Privatermittlers Carlos Herb, den es auf der Suche nach einem Verschwundenen in das sonderbare Dorf Elwenfels verschlägt, das versteckt im Pfälzerwald liegt. Dieser Ort birgt ein Geheimnis, das Mysterium von Elwenfels, welches fast schon behütet wird wie der heilige Gral. Unaufhaltsam wird das Nordlicht Carlos in diese rätselhafte Welt hineingezogen und dabei immer wieder auf drastische Weise mit der exotischen Mundart und Mentalität der Pfälzer konfrontiert. Dann wird im Wald eine Leiche gefunden, und die Lage spitzt sich dramatisch zu.


Christian Habekost scheint vor allem regional bekannt zu sein, mir war der Name hier in Franken bis dato kein Begriff. Trotzdem war ich neugierig auf dieses Buch. Die Pfalz ist eine Region, mit der mich nichts verbindet, die ich noch nie besucht habe und über die ich auch bisher kaum etwas gehört oder gelesen habe. Wenn schon kein Urlaub, dann wenigstens eine kleine literarische Reise ;-) 

Das Schöne an diesem Krimi: der Protagonist stammt aus Hamburg und ist weder mit der Sprache noch den Sitten vertraut. Während andere Regionalkrimis also fremdartig oder ungewöhnlich wirken für Außenstehende, wird der Leser schön mit dem Ermittler gemeinsam an die eigenwilligen Bewohner, ihre Bräuche und ihren Duktus herangeführt. Was anfangs noch sehr ungewöhnlich wirkt, mehrerer Fußnoten bedarf und etwas skurill anmutet, wird schon bald selbstverständlich und gewinnt an Charme. Ob nun die perfekte Mixtur für ein Weinschorle, die Besonderheit der Dubbegläser, die teils sehr einsilbigen Wortwechsel, alles wird zu Beginn sehr schön geschildert. 

Bis etwa Seite 66 ereignet sich kaum Handlung, der Schwerpunkt liegt einzig darauf, wie Carlos willkommen geheißen wird, mit welchen Tücken er sich plagt und wie die Bewohner des Dörfchens auf ihn reagieren. Man sollte also keine dichte Story erwarten, inhaltsreich ab der ersten Seite, sondern man muss sich dem gemütlichen Tempo von Albert, Cordula, Otto, Sofie, Anna, Frau Zippel, Bettel und all den anderen anpassen und sich einfach mit ihnen an einen Tisch setzen, ihnen zuhören, mit Carlos ein Schorle trinken und abwarten.

Die Trinkwasserapp, das sauber geputzte Auto, ja, Carlos hat so seine Startschwierigkeiten in dem eher lässigen Kaff, wirkt sehr steif und unsicher. Dennoch weiß er die Herzlichkeit, mit der er aufgenommen wird, bald zu schätzen. Die Charaktere (Ermittler wie Dörfler) sind auch durchweg liebenswert gehalten (außer natürlich die hier klar definierten "Bösewichte"), und oft sitzt man als Leser ein wenig zwischen den Stühlen. Wenn Carlos wieder aufgezogen wird oder in ein Fettnäpfchen tritt, leidet man mit ihm, doch zugleich grinst man sich schelmisch ins Fäustchen und freut sich am Schabernack, der mit ihm getrieben wird. 

Dabei geschieht sehr viel unterschwellig. Es gibt Andeutungen, wie gesagt sehr einsilbige Wortwechsel, und die Bewohner reden sehr viel zwischen den Zeilen. In ihren Gesten steckt oft sehr viel mehr Inhalt als in ihren Worten. 

Der Kriminalfall selbst entwickelt sich, je weiter die Geschichte vorangeht. Heißt, es gibt verschiedene Handlungsstränge. Zu Beginn geht es erst einmal um den verschwundenen Geschäftsmann. Doch es wird bereits eine erste Andeutung über den seltsamen Wappenvogel gemacht. Dann wird ein Landstreicher erwähnt, der seit einigen Jahren schmerzlich vermisst wird. Und was hat es mit dem Wein auf sich, der kürzlich einen Preis gewonnen hat und um dessen Herstellung ein solch großes Geheimnis gemacht wird? Warum taucht Erwin immer wieder in den ungewöhnlichsten Momenten auf? Wer sind die beiden Männer, die Carlos zu verfolgen scheinen?

Der Roman ist also klar ein Krimi, legt den Schwerpunkt aber doch auf die Ausgestaltung des Lokalkolorits und die Dynamik zwischen den Charakteren. Dabei liest sich der Stil sehr flüssig und angenehm, sodass trotz der stellenweise etwas längeren Beschreibungen keine Langeweile aufkommt und die 365 dicht bedruckten Seiten erstaunlich flink gelesen sind. 

Eine Fortsetzung wäre insofern schön, als man die Leute natürlich liebgewonnen hat. Aber ich finde es gut, dass das Buch abgeschlossen ist. Alles ist in Ordnung, die heile Welt ist wiederhergestellt, und jetzt ist das Kapitel Elwenfels geschlossen. Eine Fortsetzung hätte wohl nicht mehr den Charme, weil die anfänglichen Fettnäpfchen und Skurillitäten in Routine übergehen. Aber man kann ja andere Orte schaffen, neue Charaktere, und es gibt sicher noch mehr Eigenheiten, die man ins rechte Licht rücken kann. Ich hoffe darauf ;-)

SaschaSalamander 27.07.2016, 16.51

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