SaschaSalamander

Ausgewählter Beitrag

Fremd

Von Ursula Poznanski habe ich schon einiges gelesen und war immer wieder begeistert, egal ob es sich um Einzeltitel, Reihen, Krimis oder Jugendbücher handelte. Von Arno Strobel habe ich ebenfalls schon einiges gelesen, und er hat mich manchmal begeistert, manchmal enttäuscht. Was also würde mich hier nun erwarten?


Joanna ist gerade zu Hause, als ein fremder Mann vor der Tür steht und behauptet ihr Freund zu sein. Sie hat Angst, sieht sich einer Verschwörung gegenüber, denn sie hat diesen Mann noch nie gesehen. ... Erik kommt nach Hause, und seine Frau erkennt ihn nicht. Sie hat Angst, bedroht ihn. Und es sind sogar all seine Sachen aus der Wohnung verschwunden, so als hätte er niemals dort gelebt. ... Beide versuchen mit der Situation fertig zu werden. Beide sind sich sicher, dass der andere verrückt sein muss, denn ihre Erinnerung, ihre Gewissheit kann sie nicht trügen. Wie ist das möglich? Und nicht genug damit: verletzt Joanna sich selbst, oder trachtet ihr jemand nach dem Leben? Ist Joanna eine Gefahr für Eriks Leben, oder versucht jemand anders ihn zu töten?

Die Handlung an sich ist nicht neu. Dass ein Prota den geliebten Menschen nicht mehr erkennt, hatten wir schon unzählige Male. Ebenso, dass ein Mensch sich ganz klar an etwas erinnert, das so jedoch scheinbar niemals existiert hat. All die Romane, Thriller, Krimis, Mystery möchte ich gar nicht aufzählen. Das ist ein Konstrukt, das immer wieder funktioniert und gefällt. Hypnose, Traumata, psychische Krankheit, Verschwörung, gelöschtes Gedächtnis, Aliens, fantastische Elemente. Die Gründe dafür sind vielfältig, und immer wieder ist es interessant, in welche Richtung der Autor sich bewegt und ob die Geschichte am Ende ein WOW, TOP oder einen FLOP in sich birgt.

Die Geschichte beginnt langsam, verstörend, nimmt immer rascher an Fahrt auf, die Spannung baut sich optimal auf. Beide, Poznanski und Strobel, verstehen eben ihr Handwerk, und gemeinsam schaffen sie es erst recht, den Leser an sich zu binden.

Die Charaktere bleiben allerdings etwas flach. Es ist schwer, sie tiefergehend zu beschreiben, da sie sich ihrer selbst ja nicht sicher sind und erst herausfinden müssen, was geschehen ist. Aber ich habe mit beiden leider nicht mitgefiebert. Mich reizte der Titel während des Lesens nur aufgrund der Geschichte, nicht weil ich mich um die Charaktere gesorgt hätte. Auch gibt es einige Nebenfiguren (die Freundin der beiden, eine Exfreundin von Erik, ein Kollege, Joannas Vater ua), die jedoch wenig greifbar für mich erschienen. Sie erfüllten sehr gut ihren Zweck, schienen mir stellenweise aber sehr stereotyp.

Das Buch wird wechselnd von den Autoren aus der jeweiligen Sicht des Protagonisten geschrieben. Offen gesagt hatte ich damit gerechnet, dass es doch hier und da Unterschiede geben würde. Es gibt zwar Unterschiede im Stil der beiden Autoren, aber sie sind nicht in der Form gravierend, dass sie einen Bruch darstellen würden.

Strobel schreibt oft brutaler, verstörender, atemloser, während Poznanski ihre Handlung zwar spannend aber wesentlich weniger actionlastig, dafür intensiver und dichter erzählt. Bei Strobel wird erklärt, bei Poznanski verspürt der Leser es auch zwischen den Zeilen. Oder, anders gesagt: Strobel neigt wie gewöhnlich zum "tell", Poznanski eher zum "show". In diesem Fall wurde ein angenehmer Mix von den beiden erschaffen. Strobels Tempo und die bedrohlichen Situationen, einmal auch eine für ihn recht typische brutale Szene sehr plastisch (die hier jedoch durchaus angemessen war und nicht der Effekthascherei sondern der Handlung diente). Und dazu Poznanskis angenehme Art, die Handlung fließen zu lassen und den Leser dadurch tief in das Geschehen zu ziehen.

Was dann für mich allerdings die große Preisfrage war, als es auf das Ende zuging: würde es sich eher an ihr oder ihm orientieren? Sie hat bisher immer sehr gute Enden erschaffen, die zu der jeweiligen Geschichte passen. Alles löste sich verständlich auf ohne Logikbrüche, vielleicht nicht alltäglich aber doch glaubwürdig und nachvollziehbar. Bei ihm dagegen hat das Ende für mich den Büchern meist das Genick gebrochen, wirkte es zu unglaubwürdig, zu konstruiert (löbliche Ausnahme: DIE FLUT). Tja, und das Ergebnis in diesem gemeinsamen Werk - geht leider in Richtung Arno Strobel. Schon bei der ersten Andeutung ist dem findigen Leser klar, worauf es hinauslaufen könnte, der Verdacht erhärtet sich. Aber die Methoden, wie das dann gemacht wurde, und der Grund für einige der Situationen, das ist wieder einmal "mit Kanonen auf Spatzen schießen". Eingefleischten Strobel-Fans mag das gefallen, ich selbst war wenig überzeugt.

Ich kann nicht klagen. FREMD hat mich wieder sehr gut unterhalten. Ich habe sowohl seinen als auch ihren Stil genossen. Nach Abschluss muss ich allerdings sagen, dass es auf mich wohl keinen langfristigen Eindruck hinterlassen wird wie Poznanskis anderen Werke, die sonst oft noch viele Wochen oder gar Monate nach dem Lesen / Hören in mir arbeiten. Am Ende war es eher ein Strobel: packend, unterhaltsam, gelesen, vergessen.

SaschaSalamander 16.03.2016, 09.49

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