SaschaSalamander

Blogeinträge (Tag-sortiert)

Tag: Tip

Boy 7

mous_Boy7_1.jpgEr erwacht auf einer Grasfläche, fernab der Stadt und er erinnert sich an nichts: wer ist er? Wo kommt er her? Warum liegt er hier? Wo sind seine Freunde, seine Familie? Was ist geschehen? Auf seiner Mailbox seine eigene Stimme: "egal, was passiert, ruf auf keinen Fall die Polizei!". Er läuft auf die Straße, wird von einer jungen Frau in den nächsten Ort mitgenommen und kann in ihrer kleinen Pension vorübergehend wohnen. Nach und nach versucht er zu entschlüsseln, wer er ist und woher er kommt. Er ahnt nicht, was er damit heraufbeschwört ...

Eine Autorin, die ich noch nicht kannte. Ein Titel, von dem ich noch nichts gehört hatte. Umso mehr war ich gespannt, was mich bei BOY 7 erwarten würde. Und ich wurde nicht enttäuscht. Ein packender Jugendthriller, solide und klassisch aufgebaut. In der Handlung wenig überraschend, dafür aber sehr gut umgesetzt und mitreißend geschrieben.

Bevor der Junge, der sich selbst Boy 7 nennt, einen ersten brauchbaren Hinweis erhält und nun mehr über seine Vergangenheit erfährt, zieht sich die Handlung ein wenig in die Länge, hier hätte man gut etwas kürzen können. Trotzdem ist der Leser stets dabei und bangt mit Boy mit, was er wohl finden mag, wenn er den einzelnen kleinen Hinweisen in seinem Rucksack nachgeht. Auch ist es spannend zu verfolgen, ob der andere Gast der Pension oder das freundliche Mädchen ihm wohlgesonnen sind oder möglicherweise in einer breit angelegten Verschwörung stecken. Hat Boy 7 langsam Wahnvorstellungen, fühlt er sich zu Unrecht verfolgt? Oder gibt es tatsächlich jemanden, der ihm auflauert?

Als es dann endlich soweit ist, als Boy und der Leser dann endlich erfahren, woher er kommt, kann man das Buch nicht mehr aus der Hand legen und ist regelrecht gezwungen, das Buch in einem Rutsch zu beenden. Immer neue kleine Schnipsel erfährt er, die seine gegenwärtige Situation erklären, und es wird klar, dass es auf ein ganz großes Finale hinauslaufen wird.

Stellenweise musste ich ein wenig an einen Roman von Morton Rhue denken (aus Spoilergründen nenne ich besser nicht den Titel). Morton schreibt etwas bissiger, sein Roman wirkt etwas realistischer und bedrohlicher, doch die Brisanz und Tragweite des Themas wird von Mirjam Mous ebenso gut eingefangen, und das Buch ist ebenso spannend. Wer die Bücher von Rhue mag, wird von BOY 7 ebenso begeistert sein.

Ein prima Buch für zwischendurch, ideal sogar für Lesemuffel, die sonst eher selten zu Büchern greifen: einfach und flüssig geschrieben, eine mitreißende Story, ein spannendes Geheimnis, eine großangelegte Verschwörung, ein sympathischer Held als Identifikationsfigur. Und zuletzt ein Finale, nach dem man sich endlich zufrieden zurücklehnen kann ...

SaschaSalamander 14.02.2011, 10.15 | (1/1) Kommentare (RSS) | PL

Sterbenskalt

french_sterbenskalt_1.jpgNach ihren beiden Erfolgen >GRABESGRÜN< und >TOTENGLEICH< erschien nun im Dezember ihr dritter Titel: STERBENSKALT. Da mir die ersten beiden Romane so gut gefallen hatten, musste ich natürlich auch gleich den dritten lesen. Ich gebe zu, ein wenig hatte ich Bange: je mehr Romane ein Autor schreibt, desto mehr gleichen sie sich meist in Inhalt und Aufbau, desto durchsichtiger werden sie für den Stammleser, desto weniger gefallen sie mir. Doch wie erhofft gelang es Tana French erneut, mich zu begeistern!

Der dritte Roman handelt von dem Undercover Agent Frank Mackay, mit welchem die Protagonistin des zweiten Bandes einige Male Kontakt während ihrer Arbeit hatte. Nun also erfährt der Leser die Geschichte des schrulligen Polizisten, der dank seiner eigenwilligen, ja sogar schon sturen Art nicht gerade durch Sympathie glänzte. Frank hatte sich vor vielen Jahren von seiner Familie getrennt und seitdem keinen Kontakt mehr. Nun erhält er einen Anruf und erfährt, dass der Koffer seiner Jugendliebe in einem leerstehenden Haus gefunden wurde. Eigentlich wollte er mit Rosie damals seine Heimat verlassen, alle Brücken abbrechen und mit ihr nach England gehen. Doch Rosie erschien niemals am vereinbarten Treffpunkt, nur ein Abschiedsbrief fand sich dort. Also machte er sich alleine auf den Weg und begann ein neues Leben, allerdings ohne Rosie.

Er fährt nun zurück an den Ort seiner Kindheit und Jugend, er trifft seine Familie und erfährt, dass Rosie einem Verbrechen zum Opfer fiel. Wer konnte von ihrem Plan gewusst haben damals, und warum wurde Rosie getötet? Die Frage nach Rosies Tod führt Frank immer tiefer in seine eigene Vergangenheit, und es werden Fragen aufgeworgen, deren Antworten sehr schmerzvoll für ihn sind. Es mag am Ende noch immer um die Aufklärung des Verbrechens gehen, doch vielmehr ist der Roman vor allem ein Familiendrama, welches unaufhaltsam auf einen tragischen Höhepunkt hinausläuft.

Während viele moderne Krimis auf möglichst viel Blut, Gewalt, Ekel setzen, ist Tana French eine derjenigen Autoren, die sich lieber in die psychologischen Tiefen begeben. Klar umreißt sie ihre Figuren, lässt sie vor dem Auge des Lesers lebendig werden, verleiht ihnen Charakter, Emotion und Persönlichkeit. Ihr Handeln, ihre Gedanken, Gefühle und vor allem Abgründe sind das wesentliche Element des Romans, die Tätersuche zwar immer im Zentrum aber doch nur ein kleiner Teil des großen gesamten Werkes als Mittel zum Zweck, um die Handlung voranzutreiben.

Franks Familie ist kaputt, zerrüttet, und doch empfinden sie sich als recht normal, und der Leser wird zwischen die Fronten geschickt. Da ist auf der einen Seite Frank, der anders sein will und sich davon distanziert. Und da ist die Familie, abgewreckt und bemerkt es nicht einmal, aber hält wenigstens zusammen. Der Vater Alkoholiker, die Mutter ein Hausdrachen, die Kinder haben es nicht wirklich zu etwas gebracht, aber niemand weiß so recht wie man daraus ausbrechen sollte, auch wenn sie alle davon träumen. In dieser dichten Atmosphäre befindet man sich von der ersten zur letzten Seite, glaubt selbst in dem kleinen Häuschen zu stehen und dabeizusein.

Und wie es sich für einen Roman dieser Art gehört: man lernt die Figuren nicht nur kennen, sondern sie entwickeln sich. Vor allem Frank erfährt sehr viel über seine Rollen als Vater, Exmann, Sohn, Bruder, Polizist, und er muss immer mehr sein Selbst hinterfragen. Ist er wirklich soviel anders geworden als das, was er niemals hatte werden wollen? Unausgesprochen steht bei STERBENSKALT sehr oft die Frage nach dem Dilemma zwischen "Schicksal" und "freier Wille" ...

Frank ist ein klassischer Antiheld, und er baut eine Menge Mist, bei dem man nur den Kopf schütteln kann. Und doch ist sein Verhalten nachvollziehbar, empfindet man stellenweise sogar Mitleid und vielleicht ein wenig Sympathie. Es ist gut, dass French ihren Romanfiguren nicht wie andere Autoren gleich mehrere Bücher widmet, sondern statt dessen pro Titel wechselt. In STERBENSKALT ist Frank erträglich und überaus interessant, aber dann ist es auch gut. Ich denke, die Hauptfigur des vierten Bandes ist  ermutlich bereits klar, und ich hoffe, dass ich mit meiner Vermutung Recht behalte, denn ein Mitarbeiter stach für mich besonders heraus, den ich gerne näher kennenlernen würde.

Wer die ersten beiden Romane von Tana French mochte, wird auch den dritten verschlingen. Kein Blut, keine Gewalt, dafür Psychologie und Drama, gepaart mit einem lange zurückliegenden Mord. Keine Verfolgungsjagden, keine Action, statt dessen spannende Diskussionen und tiefgründige Charaktere. STERBENSKALT ist ein absoluter Volltreffer, wenn man dieses Genre mag! :-)

SaschaSalamander 24.01.2011, 10.43 | (2/2) Kommentare (RSS) | PL

Das giftige Herz

doyle_herz_1.jpgPassend zur Weihnachtszeit möchte ich "das giftige Herz" von Virginia Doyle vorstellen. Mein erster Roman der Autorin, die sonst historische Kriminalromane eher aus dem Bereich Hamburg schreibt. Ich habe von ihr noch nichts gelesen, aber "das giftige Herz" ist ein historischer Weihnachtskrimi aus Nürnberg, also konnte ich gar nicht anders als ihn zu lesen ;-)

Jaques Pistoux, gelernter Koch, arbeitet vorübergehend in Nürnberg als Zuckerbäcker bei Herrn Dunkel, welcher als angesehener Händler Lebkuchen sogar ins Ausland verkauft, trotzdem nur eine kleine Bäckerei betreibt. Ein Komissar wurde nach Nürnberg versetzt und fristet hier nun sein Dasein, macht eher unwillig seinen Job. Plötzlich zwei Todesfälle: ein Straßenjunge, gestorben an einem vergifteten Lebkuchen. Und ein reicher Geschäftsmann, um den Hals ein vergiftetes Lebkuchenherz. Wie hängen die beiden Fälle zusammen?

Wirklich ein sehr schöner Roman. Leicht und entspannend zu lesen, ohne großartige komplexen Zusammenhänge, ohne hunderttausende unnötigen Charaktere oder Voraberzählungen, ohne sinnlose Ausschweifung oder besonderen Eigenheiten im Schreibstil. Einfach ganz schlicht, ohne etwas Herausragendes sein zu wollen. Gerade diese Einfachheit hat mir sehr gefallen, sie passte wunderbar zur Handlung mit den pfiffigen Straßenkids, dem gutmütigen Koch und den mürrischen Franken in der kleinen, engen Weihnachtsstadt mit ihren verwinkelten Gässchen. Klar, eine kleine Verschwörung gab es dann doch, aber dies war gut durchschaubar, leicht verständlich.

Die Charaktere mag man schon nach wenigen Zeilen, allesamt sind sie mir sympathisch (natürlich bis auf die "Bösen", die man sehr schnell erkennt. Und sogar als ungeübter Leser mit wenig Krimierfahrung ist schon beim ersten Auftreten der Person klar, wer der Täter sein muss. Na und? Manchmal tut es gut, wenn nicht alles so kompliziert ist *smile*).

Der Lokalkolorit gefällt mir sehr. Er erschlägt nicht, ist nicht überzogen, trotzdem könnte die Geschichte in dieser Form in keiner anderen Stadt spielen als nur in Nürnberg, dazu sind zuviele Verquickungen vorhanden. Und wenn man natürlich weiß, wo sie gerade entlanglaufen (ohne dass es wie in manchen überladenen Regionalgeschichten in jedem Satz exakt erwähnt wird) und wie es dort aussieht, und wenn man dann ein andermal spazierengeht und sich denkt "ah ja, hier war es, wo", dann macht es gleich umso mehr Spaß. Aber auch für Nichtfranken ist das Buch ein wirklich nettes Stück Unterhaltung zur Weihnachtszeit.

Wie ich anderen Inhaltsbeschreibungen entnommen habe, gibt es wohl mehrere Romane um den Koch Jacques Pistoux (der nur hier vorübergehend als Bäcker arbeitete, als er auf der Durchreise war, und wenn schon Nürnberg, dann bitte Lebküchner). Auf jeden Fall hat mir dieser Roman sehr gut gefallen, und ich werde wohl noch weitere Romane der Autorin lesen. Nicht unbedingt Hamburg, das ist dann eher was für die Leute im Norden, aber Jacques habe ich inzwischen doch ins Herz geschlossen.

Wer es schlicht, herzlich, ein wenig schrullig mag, der ist mit diesem ungewöhnlichen Weihnachtskrimi jedenfalls hervorragend bedient :-)

SaschaSalamander 22.12.2010, 10.29 | (0/0) Kommentare | PL

Die Wolke

hage_wolke_1.jpg"Die Wolke" ist ein aktueller Manga von Anike Hage, deren Serie "Gothic Sports" bereits 2006 im Tokyopop-Verlag erschien. Schon damals war ich von ihren Zeichnungen und dem Storyaufbau sehr angetan, und ich muss sagen, sie hat sich noch ordentlich gesteigert, alle Achtung. Und mit der Wolke hat sie sich an ein sehr großes Projekt gewagt, das ich mir aufgrund seiner Komplexität kaum als einbändigen Manga vorstellen konnte.

Muss ich noch etwas über den Inhalt erzählen? Nachdem sich 1986 das schlimme Unglück von Tschernobyl ereignete, erschien 1987 das Jugendbuch "die Wolke" von Gudrun Pausewang. Ein Buch, welches manche Schüler lesen mussten, andere freiwillig verschlangen. Ein Buch, das fast jedes Kind damals kannte, zum Teil auch heute noch kennt. Das Thema ist zu wichtig, als dass es vergessen werden sollte, und so erschien 2006, 20 Jahre nach dem GAU, eine Verfilmung des Buches. Und dieses Jahr wagte sich also die junge deutsche Mangazeichnerin an dieses Werk.

Auch wenn ich davon ausgehe, dass der Inhalt meinen Lesern bekannt ist, hier ein kurzer Überblick: Alarm in der Schule, es gab einen SuperGAU, die Stadt muss evakuiert werden. Janas Eltern sind verreist, und so fährt sie sofort nach Hause zu ihrem kleinen Bruder Uli, mit dem Rad machen sie sich gemeinsam auf in die nächstgrößere Stadt, von wo aus sie mit dem Zug zu ihrer Tante nach Hamburg wollen. Doch es wäre kein Drama, wenn nicht einige schlimmen Unglücke geschähen, und wenn Jana nicht als eine der Überlebenden mit den Nachwirkung der Strahlung zu kämpfen hätte. Auf sich alleine gestellt kämpft sie weiter, ...

Eigentlich wollte ich mir den Manga gar nicht kaufen, war sehr skeptisch. Seit Oktober liegt er nun im Laden, und immer ging ich daran vorbei, aber dann war ich einfach ZU neugierig und musste doch zugreifen. Ich habe es nicht bereut. Anike hat es geschafft, die Geschichte auf das Wesentliche zu reduzieren, hier und da einiges auszulassen und zu kürzen, den Grundtenor und die wesentlichen Komponenten aber sehr gut einzuhalten (weit besser als manch eine Literaturverfilmung. Ich bin bei der Adaption bekannter Werke wirklich sehr pingelig). Ich hatte einen gewaltigen Kloß im Hals, denn trotz der Straffung des Inhalts wurde dem Werk nichts an seiner Wichtigkeit genommen. Im Gegenteil, die Bilder ergänzen den Roman um eindringliche Momente, die den Leser sehr berühren.

Wie auch das Original richtet sich der Manga eindeutig an Jugendliche. Trotzdem ist er auch für Erwachsene zu empfehlen. Ich bin schon länger Fan von Anike Hage, und mit der Wolke hat sie bewiesen, dass ihre Mangas langsam den Kinderschuhen entwachsen und nicht nur zeichnerisch reifer werden. Man kann gespannt sein, was sie als nächstes plant ...

(und eine kleine Anekdote am Rande: als ich den Manga im Laden kaufte, stand mein Freund neben mir und meinte begeistert "hey, das ist doch der Manga zum Film, hast Du den gesehen?". Den Bücherfans hier muss ich nicht erzählen, dass ich mir ein Lachen verkneifen musste in dem Moment, oder?)

SaschaSalamander 17.12.2010, 10.20 | (0/0) Kommentare | PL

Nürnberg für Neugierige

wilkes_nuernberg.jpgZum Geburtstag vor einiger Zeit bekam ich einen Gutschein für Bücher. Nichts, was ich mir lieber wünsche, damit kann man nichts falsch machen bei mir. Ich kaufte mir dann auch flink am gleichen Tag noch mein Geschenk: "Nürnberg für Neugierige" von J Wilkes. Ideal als Geschenk, denn ohne Gutschein hätte ich die 15 Euro für das kleine Büchlein wohl eher ungern gezahlt, aber dafür sind Geschenke ja da: Dinge, die man sich sonst nicht gönnt ;-)

Ich kann das Buch schwer einordnen. Kein Reiseführer, keine Kurzgeschichten, sondern einfach ... ja, was? Kleine, kurze Plaudereien rund um Nürnberg. Der Autor erzählt dem Leser ein paar Dinge über die Stadt, die man sonst in den klassischen Führern nicht findet und die spannend zu wissen sind. Manches davon sehr nützlich und hilfreich, anderes belanglos aber witzig verpackt. Ein nettes Sammelsurium an Facts und Infotainment, dargebracht mit sympathischem Humor.

So erzählt er beispielesweise über den Johannisfriedhof, indem er beschreibt, wie man mit seinen Kindern einen spannenden Nachmittag dort verbringen kann und welche Gräber vor allem für die Kleinen aufregend sein könnten. Er beschreibt, wie man einen Kumpel auf die Ehe vorbereitet, indem man mit ihm schrittweise das Ehekarussell besichtigt. Erzählt, was man bei einer Hausschlachtung beachten sollte (keine Ahnung, wozu man das braucht, aber war mal interessant zu lesen). Besonders gelungen fand ich das Kapitel, in welchem er das Flirtverhalten der Nürnberger unter die Lupe nimmt. Habe es meinem Freund ("Zugereister") vorgetragen, der hat sich köstlich amüsiert und nur genickt bei jedem Satz. Witzig auch die Beschreibung des Männleinlaufens, erklärt für einen japanischen Touristen, der am Ende der ausschweifenden Erzählung aber garantiert schon längst wieder im Bus sitzt und gar nicht mehr zuhört.

"Nürnberg für Neugierige" ist für mich kein Buch, das man von vorne bis hinten durchliest. Sondern ich habe je nach Laune mal ein Kapitel herausgepickt, quer durcheinander gelesen, wessen Überschrift mich besonders reizte, sodass ich für viele Wochen Lesespaß daran hatte. Ein gemütlicher Genuss zwischendurch, eben so wie wir Franken sind: nur nichts überstürzen. Und, manche Kapitel sind sogar besonders schön zu lesen, wenn man sich vor Ort befindet. Auf den Johannisfriedhof und an den Ehebrunnen werde ich das Buch auf jeden Fall mitnehmen, um das Erzählte dann direkt vor Augen zu haben.

Der Preis ist ganz schön happig, aber trotzdem kann ich es empfehlen. Für Alteingesessene, die mal einen humorvollen Blick auf ihre Stadt möchten. Für Zugereiste, die ihre neue Heimat ein wenig genauer betrachten wollen. Für Touristen, die mal andere Dinge erfahren wollen als nur Jahreszahlen und trockene Fakten. Und für Leute wie mich, die schon ein paar Jahre dort leben und sich freuen, wenn sie immer wieder neue Details ihrer Lieblingsstadt entdecken.

SaschaSalamander 13.12.2010, 10.09 | (0/0) Kommentare | PL

Panik - Eine Pandemie wird gemacht

marvol_pandemie_1.jpgSchon längere Zeit habe ich keine Erotik mehr vorgestellt. Das möchte ich nun ändern und auch in Zukunft daran arbeiten, hier etwas mehr Themenauswahl in den Blog zu bringen. Und um meine Leser zu schocken, wird es hier gleich mal richtig Hardcore ;-)

"Panik - eine Pandemie wird gemacht" ist ein SM-Thriller. Ein Wissenschaftler stirbt bei den Arbeiten an der Erforschung einer Erkrankung an Korallen. Ein Pharmaproduzent nimmt dies als perfekten Anlass, eine neue Pandemie auszurufen, nämlich die Korallenpest. Dadurch soll der Umsatz eines neuen Grippemittels erhöht werden. Auch die Medien sind in dieses Komplott eingespannt. Zahlungsmittel in dieser Konspiration ist nicht nur Geld, sondern auch sexuelle Dienstleistungen, die die Angestellte des Pharmakonzerns an dem Medienchef ausführt. Doch bald hat sie genug von diesem Spiel und will aussteigen. Dass es nicht nur um ein wenig Dominanz und Erotik ging, wird ihr jedoch schnell klar, als ihr Arbeitgeber Killer auf sie hetzt. Eine wilde Jagd durch Deutschland, Schweiz und Amerika beginnt, die eine riesige Palette an Abwechslung aus Erotik und Spannung für den Leser bereithält.

Als ich den Titel las, das Cover sah und dann auch noch den Klappentext mit dem Inhalt überflog, war ich extrem skeptisch. Das klang zu komplex, als diese beiden Themen zu verknüpfen. Entweder ein Thriller um Medizin und Verschwörung, oder aber ein BDSM-Roman. Was denn nun? Aber die Mischung ist wirklich hervorragend gelungen. Der erotische Teil überwiegt, und der Autor beweist, dass er nicht nur einen Stil beherrscht, sondern gekonnt verschiedene Möglichkeiten ausreizt. Rollenspiel (Wärter-Gefangener, Mechaniker-Kundin, Magd-Knecht, Kinderfrau-Zögling etc), bezahlte Session, Liebesspiel, heimliches Stelldichein, wilde Verführung, sanftes Locken. Die Orte könnten unterschiedlicher nicht sein von der Garage übers Hotelzimmer, einem Pool, im Club, in einem privaten Studio, einem Büro usw.  Es werden recht viele Fetische bedient, sodass für jeden etwas dabei sein dürfte.

Und weil die Szenen so stark variieren, muss die Sprache natürlich auch abwechseln. Es wäre seltsam, wenn die bezahlte Domina denselben Tonfall anschlägt wie eine verliebte Ehefrau oder eine prüde Geschäftsfrau. So kommt es, dass es wirklich niemals langweilig wird und man sich auf jeder Seite fragt, welches ungewöhnliche Szenario wohl als nächstes kommen mag.

Gegen Ende dann zeigt sich, dass nicht nur der Sex abwechslungsreich und bunt ist, sondern auch die Handlung es ganz schön in sich hat. Denn auf einmal ist nichts mehr, wie es schien, und es stellt sich heraus, dass die Verschwörung größere Ausmaße hatte als angenommen. Kann man den vermeintlich Guten trauen? Sind die Opfer nun Täter und umgekehrt? Mit einem gelungenen Showdown wird der Roman beendet, und zurück bleibt der Gedanke, mit "Panik" wirklich einen sehr ungewöhnlichen Thriller gelesen zu haben, wie man ihn so schnell nicht wieder in die Finger bekommen wird.

SaschaSalamander 08.12.2010, 09.40 | (0/0) Kommentare | PL

Die Landkarte der Zeit

palma_landkarte_1.jpg"Die Landkarte der Zeit" ist ein Buch, das mich aus vielen Gründen sofort angesprochen hat, als ich nur Cover und Klappentext zur Hand hatte: Zeitreisen sind immer ein spannendes Thema. Das viktorianische London ist eine wunderbare Kulisse für unheimliche Geschichten.Ein ungewöhnlicher Bibliothekar soll auch darin vorkommen. Und passend zum Zeitalter Ende 19tes Anfang 20tes Jahrhundert bestimmt auch viel Dampfmaschinen und Steampunk-Elemente. Ein Roman wie für mich gemacht!

Die Handlung lässt sich am besten in den drei Abschnitten beschreiben, in welche das Buch auch gegliedert ist: im ersten Teil erfährt der Leser von einem jungen Adligen, der sich in eine Prostituierte verliebt. Doch leider befinden wir uns im Zeitalter von Jack the Ripper. Nach dem Verlust seiner großen Liebe will er nun seinem Leben ein Ende setzen, doch sein Cousin hat eine grandiose Idee: mittels einer Zeitreise zurück an den Tag des Geschehens und die grausige Tat verhindern!

Danach erfährt man, wie ein junges Mädchen ihres Lebens in diesem Jahrhundert leid ist. Sie will nicht nur braves Mädchen sein müssen, heiraten, Kinder kriegen, sie will Abenteuer. Da bietet es sich an, die neue Zeitreise zu testen, welche nun endlich möglich wurde dank der Firma "Zeitreisen Murray", und sie beschließt niemals in ihr Jahrhundert wiederzukehren.

Der dritte Teil ist der komplexeste, in welchem alle Handlungsfäden zusammenlaufen. Grob lässt er sich damit umreißen, dass ein Polizist ein Verbrechen klären will, welches mit Waffen aus der Zukunft verübt wurde. Dieser Teil beinhaltet vor allem ethische, philosophische, futuristische Inhalte und sprengt die Grenzen jeglichen Genres: Sci-Fi? Fantasy? Krimi? Viktorianischer Grusel? Abenteuer? Drama?

Soviel bereits zur Handlung, und im Grunde habe ich gar nichts gesagt. Denn obige Beschreibung ist lediglich ein Versuch, es zu umschreiben. Das, was tatsächlich geschieht, darf ich nicht schreiben, sonst würde ich nur spoilern. Nur soviel: in diesem Buch ist nichts, wie es scheint, und der Leser wird bis zur letzten Seit im Unklaren gelassen. Der olympische Ich-Erzähler dirigiert uns mal hierhin, mal dahin, dann plaudert er wieder über Belangloses, nur um im nächsten Moment eine unerwartete Wende zu bringen und uns so richtig aus dem Sessel zu reißen vor Überraschung. Jedesmal, wenn ich dachte "aaaah, endlich habe ich verstanden, was das alles soll", passiert wieder etwas anderes, das alles über den Haufen wirft! Und wenn man dann am Ende alles begriffen hat, sind die letzten Absätze erneut eine Wende, die man erstmal verdauen muss und die man auch im ersten Moment nicht wirklich begreift. Man muss darüber nachdenken. Und dann muss man sich eingestehen, dass es eigentlich nicht immer notwendig ist, alles zu begreifen und es manchmal mehrere Möglichkeiten gibt. Wer sagt denn, dass alles immer eindeutig sein muss?

Dieses Buch habe ich nur sehr ungern aus der Hand gelegt (naja, die Kopfhörer aus den Ohren genommen). Egal, an welcher Stelle ich pausieren musste, es war gerade so spannend, dass ich den nächsten Moment kaum abwarten konnte und in der Zwischenzeit kaum an etwas anderes dachte als daran, wie es wohl weitergehen könnte und ob diese neue Information eben etwa bedeuten könnte, dass ... (nur, um dann beim Weiterhören erkennen zu müssen, dass ich wieder einmal an der Nase herumgeführt wurde).

Ich selbst war absolut begeistert von dem Buch, und ich zähle es schon jetzt zu den Highlights 2010 für meine persönliche Leseliste. Allerdings kann ich verstehen, wenn nicht jeder sich mit diesem Titel anfreunden kann. Es ist ein wilder Genremix, und gerade für Leute, die gerne im Klaren sind, was sie eigentlich lesen, ist es eher ungeeignet (manch einer mag zum Beispiel Fantasy, liest aber nicht gerne historisch. Mag Scifi aber nur die moderne Variante). Die Sprache gefällt mir sehr gut, sie wirkt ein wenig altbacken, die Sätze sind stellenweise recht verschachtelt. Sie passt eben in die Zeit, und das alte London wurde vor meinen Augen lebendig. Aber man muss sich darauf einlesen, kann es schwer nebenbei konsumieren. Außerdem braucht man recht viel Geduld. Denn die Haupthandlung entwickelt sich sehr langsam, kommt erst im dritten Teil ins Rollen, die ersten beiden sind lediglich nette Geschichten zur Vorbereitung des Hauptspektakels am Ende.

"Die Landkarte der Zeit" ist ein unglaubliches Buch, das ich jedem ans Herz legen möchte, der gerne kreative Romane liest und aufgeschlossen ist für eine bunte Mischung. Für jeden, der sich gerne zurücklehnt und gespannt einem ruhigen, flüssigen Erzähler lauscht und der auch kein eindeutiges Ende erwartet. Dieses Buch ist die literarische "Katze im Sack", und man sollte sich darauf einlassen können, einfach nur abzuwarten, was passieren wird. Geduld, liebe leser, dieses Buch ist es wert!

SaschaSalamander 06.12.2010, 11.39 | (0/0) Kommentare | PL

Tribute von Panem 01

collins_panem_1.jpgAnmerkung vorab: ich schreibe Rezis, die ich manchmal erst später veröffentliche (ist ja blöd, fünf am Tag zu veröffentlichen, wenn ich gerade Zeit und Lust zum Schreiben habe und dann wochenlang garnix zu veröffentlichen). Dies ist eine davon. Gestern schrieb ich schon von Band zwei und drei. Aber damit Ihr überhaupt wisst, von welchem Buch ich rede, hier also endlich die Rezension zum ersten Band der Trilogie "Tribute von Panem" (im Original "die Hungerspiele") von Suzanne Collins.

Die 16jährige Katniss ist seit dem Tod ihres Vaters "der Mann im Haus", sorgt für Nahrung, betreibt den Handel, baut die depressiv gewordene Mutter auf, kümmert sich um die Erziehung und Pflege der jüngeren Schwester und hält die Familie aufrecht. Einmal im Jahr finden die sogenannten "Hungerspiele" statt, in denen die Namen aller Jugendlichen auf Zettel geschrieben und ausgelost werden. Die Ausgewählten einer jeden aus den zwölf Regionen (ein Junge, ein Mädchen) müssen in die Arena und gegen die anderen kämpfen. 24 Jugendliche, und nur einer wird als Sieger überleben. Klar ist es abzusehen, dass unsere Protagonistin und Ich-Erzählerin gewinnen wird, so sie nicht rückblickend als Geist ihre Story erzählt (eine Wendung, die in diesem Genre eher unüblich ist).

Ein wenig Spannung kommt hinzu, als sie natürlich Verbündete innerhalb der Arena gewinnt. Zudem ist der männliche Gegenpart ihrer Region ein Junge, der ihr sehr viel bedeutet und der nun auch noch sagt, er sei in sie verliebt. Immer brutaler wird das Spiel, immer schwerer die Gegner, bis sich nur noch wenige am Ende gegenüberstehen und darum ringen, als Überlebender die Arena zu verlassen.

Nichts Neues, alles schon dagewesen, ich mag die unzähligen Filme und Bücher schon gar nicht mehr aufzählen zu diesem Thema (einige davon sogar sehr gut, meine drei Favoriten darunter "Running Man", "Todesmarsch" und "Battle Royal". Dies allerdings Horrorgeschichten und nicht für Kinder gedacht, "Tribute von Panem" ist freigegeben für alle Altersstufen). Aber NOCH ein Buch zu diesem Thema? Ich war äußerst skeptisch und habe das Lesen lange hinausgezögert. Als ich dann endlich den Anfang wagte, konnte ich es nicht mehr beiseite legen!

Ja, das Thema ist uralt. Aber das Drumherum ist wirklich sehr gut gelungen. Eine Welt, ähnlich der unseren, ein futuristisches Amerika mit einigen Varianten zu unserer Gegenwart. Und es gelingt der Autorin sehr gut, diese Welt lebendig werden zu lassen. Es ist so leicht, sich in die Charaktere hineinzuversetzen, ihre Ängste zu spüren und mit ihnen zu fiebern, dass ich wünschte, das Buch würde nicht enden. Auch die Nebenfiguren, etwa der Bäcker, der Stylist Cinna oder der alte frühere Sieger, Held und Mentor werden beim Lesen lebendig, als wären sie reale Menschen. Die Welt und ihre Eigenheiten, die Landschaft, die Natur, die Gepflogenheiten, es passt alles sehr gut zusammen als ein einziges, wundervolles Bild.

Der Kampf ist gar nicht einmal sosehr das Hauptthema beim Lesen, zumindest empfand ich dies nicht so. Zugegeben war es stellenweise dann doch überraschend brutal dafür, dass es für alle Altersgruppen freigegeben ist (16 wäre als Film mein Minimum gewesen! Ein Junge stürzt sich auf sie, will sie töten, hustet ihr plötzlich Blut ins Gesicht, als er von hinten mit dem Messer erstochen wird, na lecker! Meiner Ansicht nacht nichts für Kinder!). Das war aber für mich auch das einzige Manko, denn ansonsten geht die Autorin mit dem Thema Tod und Sterben zwar recht grausam, aber nicht übertrieben brutal vor. Andere Schreiber weiden sich an dem Leid und ergötzen sich an möglichst schaurigen Schilderungen, während es hier eben eine Notwendigkeit ist, die kurz und knapp geschieht und dann auch schon wieder vorüber. Dadurch emotional sogar umso grausamer, doch weniger detailliert und blutig. Aber, wie gesagt: es gehört zum Buch und wurde so knapp als möglich gehalten, hatte ich den Eindruck. Vor allem, da der Leser Katniss begleitet und diese sich zu Beginn vor den Kämpfen versteckt, sodass die meisten Tode der Arena ohne die Gegenwart des Lesers geschehen ...

Auch die Sprecherin Maria Koschny macht ihre Sache sehr gut. Ich kannte sie davor nicht wirklich, und ich finde ihre Stimme auch wenig einprägsam (das ist bei jungen Frauen leider die Krux, nur wenige sind wirklich so auffällig, dass man sie überall wiedererkennt, da haben es Männer einfach leichter), aber sie spricht hervorragend, passt grandios zur Protagonistin und schafft es sehr gut, Gefühle an den Leser zu übertragen. Gerne habe ich ihr gelauscht und gehofft, sie möge immer weiter erzählen. Werk und Stimme passen sehr gut zusammen, da hat der Verlag eine prima Wahl getroffen!

Der zweite Band liegt bereits auf meinem Schreibtisch, und ich kann es nicht erwarten, bis der dritte endlich bald erscheinen soll! Für den zweiten Band hat sich die Autorin eine Neuauflage des Themas ausgedacht. Der dritte Band ist auf Englisch kürzlich erschienen, und ich frage mich, ob es möglich ist, das Thema noch weiter auszureizen, ohne es dabei zu zerstören. Ich bin gespannt!

SaschaSalamander 28.09.2010, 12.53 | (0/0) Kommentare | PL

Gelegenheit macht böse

Und gleich geht es weiter mit schwarzem Humor. Nach "Makellose Morde to go" las ich direkt im Anschluss "Gelegenheit macht böse" von Gisela Seeger Ays. Diesmal bis auf eine Ausnahme keine Mordgeschichten, dafür aber kleine, herrlich gemeine Geschichtlein um Menschen, die vom rechten Weg abgekommen sind.

Für ein kaputtes Elektrogerät könnte man doch die Haftpflicht eines Freundes, ...? Ist das Rad wirklich gestohlen, oder war es doch nur zu alt? Eine kleine Wette, die man nicht verlieren kann, weil man das Ergebnis schon kennt? Einen Geldbeutel ohne Visitenkarte und Ausweis wirklich zum Fundbüro bringen statt zu behalten? Mal ehrlich -  wer kann von sich ganz ehrlich behaupten, noch niemals der Versuchung erlegen zu sein?

Wirklich köstlich, ich habe es leider nicht geschafft, das Buch aufzuteilen, sondern habe es dann doch fast am Stück gelesen. Allerdings lesen sie sich auch sehr flüssig ohne groß darüber nachzudenken. Einfach in der Handlung, eine spritzige Pointe, genau richtig für meinen Geschmack.

Schadenfreude ist etwas, das mir im realen Alltag fremd ist. Ich freue mich nicht, wenn jemandem ein Missgeschick passiert oder ein Verbrecher vom Schicksal seine gerechte Strafe bekommt. Aber im Film und in der Literatur tut es dann einfach nur gut, mal seine böse Seite ein wenig herauszulassen und sich darüber zu freuen, dass ein Mörder wohl nicht mit dem ungewöhnlichen Leibwächter der hübschen Tänzerin rechnete. Oder zu lesen, wie ein Tresorknacker selbst über den Tisch gezogen wird. Und wenn die verwöhnte, aufdringliche Ehefrau einen Klassewagen will statt des bisherigen Autos, dann freut es, wenn sie in der Garage eine besondere Überraschung erwartet :-)

Manchmal sogar gelingt es der Autorin Mitleid für den Täter zu wecken. Denn es ist vor allem "der kleine Mann", der hier der Versuchung erliegt, und sehr gut kann man sich mit dem Händler identifizieren, der doch nur ein wenig den Gewinn ankurbeln möchte; nur zu gut versteht man den jungen Straßendieb, der sich ein wenig am Reichtum der noblen Urlauber bedienen möchte.

Ach, die Grenzen verschwimmen. Was ist böse, was ist gut? Sind wir wirklich so anständig, wie wir selbst es von uns erwarten? Oder wären wir nicht doch bereit, einen kleinen Schritt weiter zu gehen? Auf jeden Fall sehr zu empfehlen, wenn man zwischendurch einmal für einen genüsslichen Moment die festgetretenen Pfade der Moralvorstellun über Bord werfen möchte ;-)

SaschaSalamander 08.09.2010, 10.36 | (0/0) Kommentare | PL

Messias

isau_messias_150_1.jpg
Ein blendender Lichtstrahl, und plötzlich fehlt die Jesusfigur am Kreuz. Dafür liegt ein Mann auf dem Boden der kleinen Kirche in Irland. Und damit beginnt eine Reihe seltsamer Ereignisse, die alle darauf hindeuten, dass der Messias auf die Erde gekommen ist, um das jüngste Gericht einzuleiten und die "Schafe" von den "Böcken" zu trennen. Es geschehen faszinierende Wunder, grausame Morde werden wie von Gotteshand begangen, und der junge Mann, welcher nur hebräisch reden kann, prophezeit quasi das Ende der Welt. Der Vatikan schickt seinen Bluthund und lässt ihn prüfen, ob nun wirklich ein Wunder geschehen ist oder nur irgendein Scharlatan Aufmerksamkeit erregen will. Und was Hester McAteer in Irland erlebt, lässt ihn an seinem Verstand zweifeln. Er lässt nicht locker und ist sicher, dass er das Wunder als menschliche Bühnenkunst entlarven wird. Doch bald kommen ihm Zweifel ...

ein Isau ganz nach meinem Geschmack. Anfangs vor allem in der Kinder- und Jugendliteratur zugange, schreibt er nun auch Thriller und Romane für Erwachsene. Hermaphroditen, Synästhesie, Massenselbstmorde in Sekten, Geheimdienst, das sind seine neuen Themen. Und nun auch ein Kirchenthriller, wie sie momentan recht in Mode sind. Da ist die Frage, ob er nun momentan auf der Erfolgswelle mitreiten will, oder ob ihm das Thema selbst auf dem Herzen lag, schon berechtigt ...

hier und da liest man "besser als Dan Brown" oder "braucht keinen Vergleich scheuen". Solche Vergleiche will ich gar nicht erst bringen. Jedes Buch für sich ein eigenes Werk, und was dem einen gefällt, ist nichts für den anderen. Das mag jeder für sich entscheiden. Für mich jedenfalls war "Messias" hervorragende Unterhaltung mit vielen starken Momenten, aber auch einigen Schwächen.

Der Hauptcharakter ist leider ein Mensch, mit dem ich - ebenso wie auch in "die Dunklen" und "der Mann, der nichts vergessen konnte" nicht wirklich warm wurde. Zu fern wirkt er mir, zu fremd für mich in seinem Erleben und Fühlen, seine Handlungen für mich häufig nicht nachvollziehbar. Dafür die Nebencharaktere umso gelungener. Schon nach wenigen Zeilen mochte ich die schrägen Iren. Den Hahn, der allmorgendlich die Leute weckt. Die alte Dame, deren verstorbenem Gatten "ein Schaf in den Schoß fiel" und welche den Racheengel gesehen hatte. Die sanfte und selbstbewusste Anny, der ergebene, fleißige Kirchendiener Kevin, und vor allem die wunderbare Fiona. Allen voran jedoch natürlich der alte Seamus in all seiner "Wunderlichkeit" ...

sehr schön finde ich, wie die Grenze zwischen Wunder und Realität verwischt. Anfangs ist dem Leser nicht wirklich klar, was er glauben soll und was nun tatsächlich vorgefallen ist. Doch bald wird klar, was gespielt wird, und es bleibt die Frage nach dem "warum" und "wie". Bis diese jedoch beantwortet wird, vergehen einige Seiten, und manche Dialoge und Szenen ziehen sich leider auch recht in die Länge, ohne die Handlung voranzutreiben oder die Charaktere besser zu beleuchten. Ein wenig scheint es mir, als würde es immer mehr Mode, dass Autoren ihr für das Buch angeeignete Wissen auch einstreuen wollen, indem sie fachliche Vorträge einbinden, die für den Leser gar nicht so sehr von Bedeutung sind, die aber zeigen, dass der Autor sich mit dem Thema befasst hat. Bücher werden dicker, jedoch nicht zwangsläufig inhaltsreicher dadurch. Aber dicke Bücher verkaufen sich einfach besser ...

Toll finde ich die Locations. Man merkt, dass Isau schon in Irland war, und dass er vor allem reale Schauplätze vor Augen hatte, wenn er von den Pubs und Straßen des kleinen Dörfchens schreibt. Die Stimmung kommt sehr gut beim Leser an, als wäre er selbst dort gewesen.

Die Familiengeschichte der Whealans und McAteers ist sehr spannend Normalerweise mag ich Familienbande und Verstrickungen nicht, es dürfte bei Isau das erste Mal gewesen sein, dass die Vergangenheit einer Familie so mitreißend geschrieben war, dass sogar ich es mit Genuss gelesen habe.

Was das insgesamt sehr positive Bild dieses Romanes etwas geschmälert hat, war wieder einmal das Ende. Isau hat die D´Albis eingebracht, eine Figur aus seinem Roman "die Dunklen". Diesmal kein kleiner Nebenauftritt wie sonst immer, sondern sogar mehrere Seiten eine wichtige Schlüsselrolle zur Auflösung des Romanes. Für Fans von Isau sehr schön. Für Leute, die den Roman alleinstehend lesen jedoch sehr problematisch, da sie wohl nur sehr schwer nachvollziehen können, was auf diesen Seiten passiert ist und wie dies möglich war. Ich bin zumindest froh, dass ich den Roman zuvor gelesen hatte und wusste, worum es ging!

Und dann die "Auflösung" des Romanes. Es waren mir am Ende ein paar Wunder zuviel. Es gab Dinge, die nicht erklärt wurden (für die, die es gelesen haben: kann mir jemand den blühenden Baum oder die blutende Krone erklären?). Es gibt "reale" Wunder, es gibt inszenierte Wunder, ich möchte nicht vorweggreifen, aber meiner Ansicht nach waren es teilweise sehr seltsame Szenerien, und am Ende wurde es mir dann doch etwas zuviel. Fast so, als hätte der Autor nicht gewusst, wie er diese oder jene Situation retten soll, also flink ein Wunder aus dem Ärmel gezaubert. Natürlich war dies nicht der Fall, es passt alles perfekt ins Bild und steuerte von Anfang an darauf hin, schon der Prolog verkündete quasi das Ende des Romanes. Doch es war dann doch etwas sehr geballt.

Es ist sehr schwer, einen Roman zu schreiben, der sowohl reale Elemente wie auch Fantasy enthält, und Isau hat etwas vollbracht, das nur wenigen Autoren gelingt, nämlich beides zu verknüpfen. Er hat das Genre "Phantagon" erschaffen, und niemand beherrscht es so meisterhaft wie er. Da seien ihm ein paar Schwächen verziehen. Meine beiden Lieblingswerke "Kreis der Dämmerung" und "Tillmann Thaddäus Trutz" wird er wohl nicht mehr übertreffen können, aber wie gesagt, ich will nicht vergleichen. Für sich betrachtet ein prima Werk, das ich viel zu schnell verschlungen hatte ... mit nicht gerade geringen Schwächen, die man diesmal aufgrund der packenden Handlung und des spannenden Themas aber ausnahmsweise freundlich übersehen darf ...

Isau empfehle ich denjenigen Lesern, welche offen sind für Neues. Die bereit sind zu akzeptieren, dass unsere Welt nicht nur aus Schwarz und Weiß besteht, sondern dass die vielen Grautöne dazwischen unser Leben bestimmen. Die Dinge sind nicht immer so, wie sie scheinen. Und nur, wer bereit ist, sich auf die kleinen Wunder einzulassen, etwa zweigeschlechtliche Menschen, Personen mit Inselbegabungen oder besonderen Fähigkeiten der Sinneswahrnehmung, nur der wird Isau begreifen und genießen. All jenen, die das Träumen noch nicht verlernt haben, lege ich seine Bücher ans Herz.

Und Messias empfehle ich ganz besonders jenen, die noch an Wunder glauben. Oder aber, die erst recht nicht an Wunder glauben und sich bestätigt sehen wollen, dass es doch nur Show ist ;-)

SaschaSalamander 14.07.2010, 10.17 | (0/0) Kommentare | PL

Einträge ges.: 3902
ø pro Tag: 0,5
Kommentare: 2819
ø pro Eintrag: 0,7
Online seit dem: 21.04.2005
in Tagen: 7325
RSS 2.0 RDF 1.0 Atom 0.3