SaschaSalamander

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Tag: Märchen

Lord Skeffington Scatters Katzenärger

FAHR SINDRAM

Fahr Sindram ist Mangazeichnerin und Kinderbuchautorin, ihre Werke erscheinen im Butter and Cream Verlag, 2006 erschien das erste Werk LOSING NEVERLAND,  ein Manga, der sich neben einer packenden Handlung vor allem gegen Kinderpornographie ausspricht. Etwas, das ich allgemein sehr wichtig finde und das vor allem im Mangabereich ein ganz eigenes Thema ist, das hier viel zu selten angesprochen wird.


INHALT

LORD SKEFFINGTON SCATTERS - KATZENÄRGER ist ein niedliches Bilderbuch, das mit seinem Nonsens-Humor, den liebenswerten Charakteren und den herrlichen Bildern auch für Erwachsene ein unterhaltsames Lesevergnügen darstellt. Lord Skeffington Scatters ist ein junger Zombie, bleich und mit viel blauer Pomade im Haar, er lebt mit seinen fünfzehn (15!) Katzen zusammen. Und wie alle jungen Menschen Zombies wünscht er sich Freunde, doch das ist nicht leicht, wenn man bleich ist, blaue Haare hat und eigentlich tot ist. Während seiner Arbeit in der Eisdiele verliebt er sich in "das Mädchen", doch was soll er tun, um ihre Liebe zu gewinnen? Leider stellt er sich sehr ungeschickt an, und auch die fünfzehn (15!) Katzen sind ihm keine große Hilfe dabei.


SPRACHE, GENRE

Ach, ein wundervolles Bilderbuch, das ich gern gelesen habe und das mich durchweg begeisterte. Wie gesagt, sehr viele Elemente des Nonsens heitern die an sich knappe Handlung auf: viele Dinge werden wiederholt, etwa die fünfzehn (15!) Katzen, oder auch das Lieblingsfutter der Katzen, die blaue Pomade. Der Autor spielt mit der Bedeutung unterschiedlicher Worte, setzt Sprichwörter um zu realen Ereignissen, zieht unverhältnismäßige Vergleiche und jongliert mit den Sätzen, die Charaktere führen ungewöhnliche Dialoge, es gibt sehr schräge Aktionen und unlogische Schlussfolgerungen. Ein einfach zu lesender Text, an dem Leser aller Altersklassen ihre Freude haben, die Kinder eher aufgrund der witzigen Story, die Erwachsenen aufgrund des hintergründigen Humors. Ein paar Beispiele:

"Das Haus hatte er von seinem Großonkel geerbt. In seiner Familie wurde sowieso vieles weitervererbt. So hatte der gute Skeffington seine Füße von Großonel Milton und seine langen Unterarme von Urgroßvater John-Joe".

"Ich kannte einmal eine Katze, die so alberne Witze erzählte, dass sie sich eines schönen Tages einen Wolf lachte, den hatte sie dann ihr ganzes restliches Leben am Hals. Und das störte wirklich sehr, auch wenn er Vegetarier war!"

"Er war ziemlich wie Du und ich. Und wenn nicht wie Du, dann eben wie ich und Nachbars Gartentor."

"Er zitterte wie eine Klapperschlange und klapperte wie Espenlaub."


ZEICHNUNGEN

Text und Zeichnungen bilden hier eine kongeniale Einheit. Zwar kann jedes für sich stehen und überzeugen, doch in Verbindung ist es wirklich einzigartig. Immer wieder schweift beim Lesen der Blick auf die Bilder, man vergleicht das Bild mit dem Text und stellt fest, wie liebevoll einzelne Details umgesetzt wurden. Und die Bilder machen neugierig auf den Text. Auch blätterte ich immer wieder zwischen dem Text, den Bildern und dem Ende hin und her: denn am Ende des Buches werden alle fünfzehn (15!) Katzen namentlich und mit ihren Charaktereigenschaften vorgestellt. Da kommt ganz von selbst das Bedürfnis, auf jedem Bild zu zählen, ob wirklich alle Katzen zu sehen sind und wie sie sich diesmal gekleidet haben, ob man sie auch alle erkennt und zuordnen kann.

Einige kleine Bilder unterstreichen neben dem Text nur knapp dessen Aussage, andere bekommen eine eigene, komplett colorierte Seite, sogar doppelseitige Bilder sind zu finden. Die Textseiten sind zusätzlich mit einem hübschen Rahmen verziert, der in sich geschlossen ebenfalls viele kleine Motive beinhaltet und zum Entdecken einlädt.

Auf den Bildern gibt es auch unabhängig vom Text sehr viel zu entdecken, für Bücherwürmer dürften vor allem die herumliegenden Bücher oder die Bücherregale interessant sein, dort finden sich sehr viele spannende Titel, die zu entdecken einer Schatzsuche gleicht, jedesmal begleitet von einem kleinen freudigen Erfolgserlebnis. Unzählige süße Details verleiten zum Träumen, Lachen, Spaß haben und Entdecken. Alles gilt es zu betrachten von den Fotos an den Wänden hin zu Accessoires an der Kleidung oder kleine Geschichten, die auf den Bildern zusätzlich zur Handlung im Text erzählt werden. Ich werde das Buch noch sehr oft aufschlagen, um darin zu blättern.

Obwohl es um einen Zombiejungen geht, und obwohl es Gothic-Elemente enthält, zeigt Fahr Sindram mit diesen Bilder ganz wunderbar, dass Goth nicht immer Schwarz sein muss, sondern im Gegenteil auch kunterbunt, herzlich und verspielt sein kann. Sieüberschlägt sich regelrecht mit Farben, Formen und Mustern, und das Buch strotzt (zwischen den Zeilen, denn vordergründig geht es ja um einen toten Jungen und eine unglückliche Liebe) vor Lebensfreude, Glück und guter Laune, man kann gar nicht anders als nach dem Lesen glücklich zu sein.


MORAL

Die Moral des Buches gefällt mir, sie ist zwar klar und liegt für den Leser auf der Hand, dennoch kommt sie witzig daher, die Autoren nehmen sie aufs Korn und machen auch hieraus einen eigenen Scherz. Noch nie wurde eine Moral so süß verpackt! Überhaupt ist das Ende der Geschichte wirklich gelungen. Es ist ein Happy End, wenn auch anders als erwartet, man kann sich mit den Charakteren freuen. Und auch, wenn das Buch abgeschlossen ist, lädt das Ende die Kinder ein, gemeinsam mit den Eltern neue Abenteuer mit Lord Skeffington zu erfinden. Einen Freund wie den kleinen Zombie und seine fünfzehn (15!) Katzen wünscht man sich gerne


FAZIT

Unbedingt kaufen! Was auch immer ich hier alles geschrieben habe, man muss es sich selbst ansehen. Wer das, was ich hier in der Rezi angeschnitten habe, auch nur ansatzweise interessant fand, der wird von Skeffington begeistert sein! :-)

Wertung: 100 von 100 Rock und Rollende Kellermonster


SaschaSalamander 09.07.2012, 08.56 | (0/0) Kommentare | PL

Verlockende Versuchungen - Neuauflage

2009 erschien VERLOCKENDE VERSUCHUNGEN der Autorin Inka Loreen Minden im Ubooks Verlag. Das Buch ist nicht mehr erhältlich, also wurde ein wenig überarbeitet und erscheint jetzt, Juni 2012, in neuem Gewand als Eigenpublikation der Autorin. Das nehme ich zum Anlass, auch meine Rezension zum Buch selbst ein wenig zu überarbeiten und dem aktuellen Buch anzupassen ;-)


INHALT DES BUCHES

In VERLOCKENDE VERSUCHUNGEN nahezu jedes Märchen- und Fantasyelement geschnappt, das nicht bei drei auf den Bäumen war. Hier ein Drache, dort ein Dämon, Schneewittchen, Rapunzel und Dornröschen dürfen auch nicht fehlen, es gibt einen Zauberspiegel, Elben sind auch zu finden, und natürlich Vampire. Kunterbunt durcheinander, wild vermengt und das Ergebnis ist ein Buch, so humorvoll und zugleich auch erotisch, wie man es noch nicht gelesen hat. Ich habe versucht, einen roten Faden zu finden, doch gemeinsam ist allen Geschichten wohl wirklich nur, dass sie in einer fiktiven Märchen- oder Fantasywelt spielen und direkt oder indirekt mit Sex zu tun haben.

Da verliert ein Vampir seine Geliebte und findet sie nach langer Zeit zurück, doch gehört sie nun nicht einem anderen? Ein Engel und ein Dämon verlieben sich und verbringen gemeinsam ihre Zeit in den unteren Örtern, auf der Erde und im Kino. Das devote Schneewittchen wurde von den Zwergen leider mit dem falschen Prinzen verheiratet und klagt nun über fehlende Schläge. Die böse Moorhexe will ein unschuldiges (?!?) Mädchen verführen und wird von einem selbstlosen Jäger bezwungen. Wer ein Zauberartefakt zu seinem eigenen Vorteil missbraucht, der macht Bekanntschaft mit Rapunzels lukrativem Nebenjob. Eine Elfenprinzessin soll den Prinzen des Nachbarvolkes heiraten, obwohl doch alle wissen, dass dessen Bewohner alle knollennasig und krummbeinig sind. Und einige weitere Geschichten, die den Leser ungläubig, lachend und begeistert mit dem Kopf schütteln lassen.


ÄNDERUNGEN IN DER NEUAUFLAGE

Im Buch selbst waren die Geschichten in mehrere Teile getrennt und bunt im Buch verteilt, zwischen Teil eins und Teil 3 lagen oft mehrere andere Geschichten. Dies wurde nun geändert: die dreiteilige Geschichte, BRENNENDE BEGIERDE, wurde zu einer einzigen Geschichte zusammengefasst (übrigens auch getrennt vom Buch erhältlich), die Zweiteiler sind nun hintereinander angeordnet. Großer Pluspunkt!

Das Cover selbst wurde natürlich auch geändert. Ich poste hier zum Vergleich beide Titel. Das alte Cover ist recht nett, der Blick der Frau verspielt, ihr Haar ein wenig verstrubbelt und passend zu den Geschichten wirkt es erotisch aber doch nicht ganz so ernst. Das neue Cover mit mit dem weißen Kleid, der roten Unterlage und der drapierten Frau betont etwas stärker den Märchenaspekt des Buches. Beide Bilder haben ihren Reiz, das neue dürfte vermutlich aufgrund des netten Farbkontrastes die Blicke der Leser noch mehr auf sich ziehen.

Und natürlich wurde ein klein wenig am Text gefeilt, drei Jahre sind eine lange Zeit für einen aktiven Autor, Minden hat sich seitdem gesteigert, und entsprechend hat sie hier und da ein wenig ausgebessert. In den meisten Stories nur ein paar Formulierungen oder kleine Ergänzungen, in den beiden Gaystories an der Perspektive gefeilt, die Geschichten selbst sind jedoch alle original beibehalten.

Als Bonus gibt es zusätzlich die Geschichte WILDES BEGEHREN aus dem Buch LUSTPUNKTE (erscheint in den nächsten Tagen bei Elysion Books), das die bisherigen dunkleren Geschichten des Bandes um einen Gestaltwandler bereichert.


ERZÄHLWEISE, HUMOR

Die Stimmung des Buches erinnerte mich in nahezu jeder Geschichte an eine Disney - Parodie. Eine Prinzessin, zwitschernde Vögel auf dem Baum, dazu ein geträllerter Song im höchsten Sopran, bauschige Kleider und wunderhübsche Gesichtlein mit geröteten Wangen. Und dazu die witzigen Umschreibungen. Ich bin froh, dass ich noch das ältere Buch habe, denn da sieht man, wie die Autorin sich weiterentwickelt hat, ich mag diese Vergleiche. Doch insgesamt besser ist natürlich die Neuauflage, und die kann man inzwischen nicht mehr nur Fans von Minden empfehlen, sondern auch Neulingen.

Ich habe sehr oft gelacht über die absurden Situationen. Meine Lieblingsszene (kein Spoiler) ist ein sterbender Mann, und zack puff steht plötzlich ein goldener Drache auf der Lichtung und bringt alles wieder ins Lot. Keine Ahnung woher, keine Ahnung wohin, aber sollten wir nicht alle so einen goldenen Zauberdrachen haben? Oder der selbstlose Jäger, der - wir sind ja im Erotikroman - der die Moorhexe mit seinem "Jagdgewehr" von hinten außer Gefecht setzt und dem wirklich außerordentlicher Dank für sein uneigennütziges Tun gebührt (wer will es schon mit einer Moorhexe treiben). Wie gesagt: skurril, völlig abgefahren und so ganz anders als alles, was man von einem Buch mit erotischen Kurzgeschichten erwartet.


FAZIT

Aufgeschlossen sollte man auf jeden Fall sein. Denn abgesehen davon, dass eine Menge Märchen und Fantasyfiguren aufs Korn genommen werden, gibt es hier auch so ziemlich alles: Gay, SM, Hetero, freiwillig und unfreiwillig. Wer also ausschließlich Heteroerotik sucht, oder wer sich nicht für SM begeistern kann oder eben etwas Spezielles sucht, der wird hier nicht fündig. Wer vielseitig ist und sich vorstellen kann, dass Humor und Erotik sich nicht gegenseitig ausschließen, der ist hier auf jeden Fall richtig. Absoluter Geheimtipp für alle Inka Loreen Minden Fans, die bisher nur die neueren Werke kennen ;-)

  

SaschaSalamander 09.06.2012, 08.48 | (0/0) Kommentare | PL

Timmy kennt den Weihnachtsmann

aster_timmy_1.jpgWarum ich im Sommer Weihnachtsgeschichten höre? Ganz einfach: weil sie von Christian von Aster geschrieben und vorgetragen wurden. Weihnachten hin oder her, sein Humor ist ganzjahrestauglich. Ich habe mich bei 30 Grad hervorragend mit seinen Geschichten unterhalten und möchte sie Euch jetzt gerne vorstellen:

TIMMY KENNT DEN WEIHNACHTSMANN ist eine Sammlung von vier Kurzgeschichten. Die titelgebende Geschichte ist die erste und längste. Sie erzählt von einem Jungen, der an Weihnachten leider nicht das gewünschte Geschenk unter dem Baum hatte. Doch er erkennt den Mann hinter der Verkleidung und zieht seine eigenen Schlüsse, wie er dafür sorgen kann, dass es nächstes Jahr ganz gewiss das heißt ersehnte Holzpferdchen für ihn gibt.

POST AUS DEN WEIHNACHTSMANNS TINTENFASS ist der Brief eines jungen Mannes, der bislang in einer Fabrik arbeitete, die im Auftrag ihrer Kunden die Weihnachtspost erledigte. Doch nun zieht er Bilanz und ist betrübt über die Entwicklung der Gesellschaft.

KNECHT RUPRECHT PACKT AUS und erzählt, warum Trolle heute als bösartige Wesen gelten und was der Weihnachtsmann damit zu tun hat.

DUNKLE GESCHÄFTE führen einen seltsamen Mann auf das Schiff des gefürchteten Piraten De La Torture. Was will er von diesem Halunken, das ihm kein anderer bieten könnte?

Was mich besonders beeindruckt ist die Wandlungsfähigkeit, mit der der Autor seine Geschichten verfasst. Er ist ein Chamäleon, das sich sprachlich und stilistisch ganz auf den Inhalt einlässt. Besonders auf dieser CD wird dies deutlich. Ein Trollmärchen, eine viktorianisch angehauchte Weihnachtsgeschichte, düstere Piraten, eine fiktive Dienstleistungsfirma. Vier komplett unterschiedliche Settings, vier komplett unterschiedliche Herangehensweisen. Mal schreibt er trocken und sachlich, mal bildgewaltig und derb, ein andermal lyrisch und wortreich.

TIMMY als titelgebende Geschichte nimmt den größten Raum ein und ist auch diejenige, welche wohl allen Hörern am besten gefallen dürfte. Vor den Augen des Lesers baut sich die Kulisse des alten England auf, wie es Dickens in seinen Büchern so anschaulich darstellte. Der kleine TIMMY heißt nicht umsonst Timmy, sondern dürfte wohl eine Hommage an eine der Figuren aus A CHRISTMAS CAROL sein. Der Widerspruch der fast schon märchenhaften Sprache und Kulisse gegenüber der makaberen Aussage der Geschichte ist Christian von Aster hervorragend gelungen. Ein Kunstgriff, durch den die Grausamkeit des kindlichen Vorgehens umso drastischer zur Geltung kommt. TIMMY und seine Freunde wollen nichts Böses, sie möchten nur dem Weihnachtsmann helfen. Dafür müssen sie allerdings knallharte Berechnungen anstellen, Menschenleben wird ein Mittel zum Zweck. Eine wunderschöne Parabel dafür, wie das Gewinnstreben und die Gier nach Mehr die Menschen dazu bringt, über Leichen zu gehen. Verpackt in rabenschwarze Satire, bei der das Lachen manche Male im Hals steckenbleibt.

Auch die anderen Geschichten triefen vor bitterbösem Humor. Die Aussage hinter Von Asters Geschichten ist subtil zwischen den Zeilen verborgen. Man kann die CD hören, ohne sich groß Gedanken zu machen, sich einfach an den Scherzen erfreuen und laut dabei lachen. Man kann sich aber auch die Zeit nehmen, hinter die Worte zu lauschen. Dann machen sie besonders viel Spaß.

Christian von Aster liest die Geschichen mit angenehmer Stimme selbst ein. Und seine Wandlungsfähigkeit zeigt sich auch hier: ich lernte ihn kennen durch die CD >MITTERNACHTSRABEN<, wo seine Stimme, seine Intonation gänzlich anders wirkt als hier bei TIMMY. Angepasst an die jeweilige Situation und Geschichte, nimmt er sich selbst zurück und lässt die Worte für sich wirken.

Diese Kurzgeschichtensammlung ist besonders geeignet für Gegner des kunterbunten Weihnachtsfestes. Denn hier wird das Fest entmystifiziert: der Weihnachtsmann stiftet aus Eigennutz andere zu Bösem an, kleine Kinder setzen die kapitalistischen Gedanken der Erwachsenen auf ihre eigenen Weise um. Und am Ende erfährt man gar, was ruchlose Piraten mit dem Weihnachtsmann gemeinsam haben. Eine Geheimtip für alle, die das Weihnachtsfest nicht ganz so ernst nehmen :-)

SaschaSalamander 15.05.2012, 09.09 | (0/0) Kommentare | PL

Ash

lo_ash_1.jpgDer Inhalt ist schnell erzählt: Aschenputtel. Malinda Lo wagt in ihrem Buch ASH eine wundervolle und ungewöhnliche Adaption des Cinderella - Märchens. Die Mutter stirbt, der Vater nimmt sich eine neue Frau. Die Stiefmutter und deren Töchter sehen in Aisling, genannt Ash, nur ihre Dienstmagd. Als der Vater stirbt, wird es immer schlimmer. Nur die Zeit im Wald bei dem geheimnisvollen Elf Sidhean gibt ihr Kraft und Hoffnung. Eines Tages sucht der Prinz eine Braut. Je öfter die Stiefmutter und ihre Töchter außer Haus sind, desto mehr findet Aisling Zeit für sich. Dabei lernt sie die königliche Jägerin kennen, begleitet sie auf die Jagden. Und dann trifft sie beim Maskenball zufällig mit dem Prinzen zusammen.

Wie gesagt: wundervoll und ungewöhnlich. Ich bin sehr angetan von dem Buch. Besonders gefällt es mir, dass Aisling (ein Name, der mir sehr zusagt) nicht wie typisch im Märchen dem Prinzen hinterherschmachtet, sondern dass sie ihre eigenen Wege geht. Das Märchen weist zwei Besonderheiten auf, die vom Original abweichen und die einigen Lesern missfallen könnten, anderen Lesern aber direkt aus dem Herzen sprechen:

zum einen ist da die Sache mit den Elfen. Bezaubernd und strahlend rein, aber zugleich auch kalt, so wie Elfen eigentlich ursprünglich sind. In diesem Buch schwingt stets eine Todessehnsucht zwischen den Zeilen. Der Wunsch nach der Vereinigung mit dem Elfenreich, der Wunsch nach Auflösung, nach dem Ende. Nichts mit pinkem Zuckerguss und niedlichem Märchen, vielmehr melancholische Grundstimmung und düsterer Romantik.

Und zum anderen ... hm, Spoiler oder Nichtspoiler? Doch, in diesem Fall schon. Denn viele Leser sind verärgert, dass sie zuvor nicht wussten, was sie erwarten würde. Und andere wie ich hätten das Buch nie angerührt (igitt Prinzessin, bäh Romantik), wenn nicht diese Thematik gewesen wäre. Von daher: sinnvoller Spoiler. Wer das nicht möchte, soll diesen Absatz überspringen:

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SPOILER

Ash verliebt sich in die Jägerin. Mir gefällt es, das Märchen einmal auf diese Weise neu aufzupeppen. Warum sollte Aisling sich in den ollen Prinzen vergucken, wo sie erneut im Käfig lebt, wenn auch golden? Warum nicht die stolze Jägerin, die in ihr mehr sieht als den hübschen Körper, und die auch im Charakter hervorragend zu ihr passt? Sie lieben die Natur, achten das Leben, lieben die alten Märchen.

Dazu kommt, dass hier einmal keine heile Welt ist. Bella und Edward oder Jacob stellvertretend für alle Girls, die hin- und hergerissen sind zwischen Softie und Macho. Hier dagegen glaubt Ash den Elfen zu lieben, doch er ist nur stellvertretend für ihre Sehnsucht, sie liebt nicht ihn sondern was er verheißt. Und als sie die Jägerin trifft, erkennt sie ihr wahres Gefühl. Es gibt kein Heititei, sondern sie bricht bewusst das Herz des Elfen. Die Welt ist kein Ponyhof, und manchmal muss man anderen Personen wehtun. Man kann nicht immer auf die anderen achten. Aisling lernt, dass sie ihren eigenen Weg gehen muss. Und ich mag es, wie das hier umgesetzt wurde.

SPOILER ENDE

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Dazu kommen sehr viele schöne Binnenmärchen. Die Elfenwelt ist sehr schön in das Buch integriert, das Märchen um Aschenputtel wurde ergänzt durch viele weitere Märchen rund um das Thema Elfenwelt. Wie gesagt nicht die niedlichen Flatterelfen, sondern die stolzen, mächtigen und eigenwilligen Elfen, die Menschen für ihre Zwecke missbrauchen und auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind. Diese Märchen verleihen dem Buch einen eigenen Zauber, sorgen für Abwechslung und sind es fast schon wert, in einem eigenen kleinen Buch abgedruckt zu werden. Gerne läse ich mehr Elfenmärchen aus der Feder Malinda Los.

Die Sprache ist sehr malerisch. Trotzdem ist sie in meinen Augen der Schwachpunkt des Buches. Ich fand die Szenen schön geschildert, das Buch sehr malerisch. Aber auch distanziert und kühl, sodass ich keinen wirklichen Bezug zu den Charakteren aufbauen konnte, nicht einmal zu Aisling, Sidhean oder der Jägerin. Es wird sehr viel erklärt, selten dringt man dabei in das Innere der Szene, beobachtet sie lediglich von außen. Gerade, wenn es dann in die Landschaftsbeschreibungen geht oder Aislings Leben mit der Stieffamilie beschrieben wird, ist das oft etwas langatmig. Man hätte das Buch bedenkenlos um 70 bis 100 Seiten kürzen können, obwohl es bereits mit 270 Seiten im Kleinformat eigentlich sowieso schon recht kurz ist. Aber das macht nichts, ein Buch muss nicht lang und künstlich gestreckt sein, um zu gefallen.

Wenn das Buch nicht so distanziert gewesen wäre, und wenn es stellenweise nicht etwas langgezogen gewesen wäre, dann hätte es ohne Zögern sofort den seltenen Weg in mein Regal gefunden. Ich war wie verzaubert während des Lesens, die Idee fand ich wunderschön, und die Romanze zwischen Aisling und Sidhean bzw später zwischen Aisling und der Jägerin gefiel mir sehr. Aber leider hat es mich aufgrund des Erzählstils nur verzaubert, nicht jedoch berührt. Schade, wirklich schade. Aber die Autorin steht nun unter meiner Beobachtung, und ich hoffe auf ein weitere romantische Märchen, in denen die Frauen keine Männer brauchen, um sich selbst zu finden :-)

SaschaSalamander 01.05.2012, 16.27 | (1/1) Kommentare (RSS) | PL

Emma im Knopfland

rylance_emma_1.jpgINHALT

Ein kleines Mädchen fühlt sich von den Erwachsenen nicht verstanden, und plötzlich landet sie in einer fremden Welt. Sie möchte wieder nach Hause, aber wie soll sie das anstellen? Auf ihrer Reise trifft sie viele Freunde, die selbst auf der Suche nach etwas sind und mit ihr gemeinsam zum großen Schloss ziehen wollen, wo sie auf Antworten hoffen. Es gibt Feinde in dieser Welt. Aber gemeinsam können sie es schaffen ...

nein, es handelt sich nicht um Frank Baums ZAUBERER VON OZ oder ALICE IM WUNDERLAND, sondern um >EMMA IM KNOPFLAND<. Und obwohl die Grundzüge die gleichen sind, ist das Buch etwas ganz anderes. Und dabei mindestens genauso herzlich: Emma ist während der Ferien bei ihrem Onkel und ihrer Tante. Ihr Onkel ist der Ansicht, Kinder solle man am besten nur sehen, aber nicht hören. Im Haus der beiden gibt es viele Zimmer, z.B. ein Kuli-Zimmer, ein Schneckenhaus-Zimmer, ein Stein-Zimmer, und unter anderem auch ein Knopfzimmer. Und als Emma die Tür öffnet, wird sie prompt in die fremde Welt hineingezogen. Dort herrschen im Grunde die gleichen Probleme wie bei uns Menschen, nur dass die Welt von Knöpfen bevölkert wird. Emma ist kein Knopf, und so wird sie von der Polizei gejagt. Doch mit ihren Freunden Gustav, Luise, Woody und den anderen gibt sie nicht auf. Sie will auf das große Schloss, um dort endlich die Antwort auf ihre Fragen zu bekommen und nach Hause zu gelangen.


KINDERBUCH

Kinderbücher sind dann gut, wenn sie den Erwachsenen das Gefühl geben, wieder Kind zu sein. Oh ja, und dieses Buch war wirklich sehr, sehr gut. Ich fühlte mich an viele Momente meiner Kindheit erinnert. Sah mich in den Schubladen meiner Oma wühlen, Puzzles zusammensetzen, mit Freunden spielen. Und EMMA IM KNOPFLAND zauberte mir ein riesiges Lächeln ins Gesicht. Es tat richtig gut! Aus Sicht eines Kindes, bezaubernd und wunderbar unschuldig.


DIE KNOPFWELT, DIE KNÖPFE

Bisher waren Knöpfe für mich nichts anderes als ... naja, Knöpfe eben. Aber die Autorin macht sich Gedanken, wo sie herkommen, welchen Zweck sie erfüllten, was sie erlebt haben, wie sie verloren gingen, und was dies in ihnen ausgelöst haben könnte, welche Persönlichkeit sie nun haben. Und besonders nett finde ich die Idee der Dinge, die in den Knopfkisten noch herumliegen, etwa Eurostücke, Büroklammern, Filzstiftkappen, Klettverschlüsse, besonders geformte Einzelknöpfe und vieles mehr. All diese Gegenstände gehören nicht zu den Knöpfen, sind auf der Suche nach sich selbst, nach ihrem Zweck, und Emma kann ihnen helfen, sich zu benennen und kann ihnen einen Sinn verleihen.

Das Metermaß wird zu einer langen Straße, auf der das freundliche Trüppchen Richtung des großen Schlosses marschiert. Nadelkissen werden zu einer weiten Kakteenlandschaft, wo Cowboys (sie waren früher an Lederwesten etc befestigt) am Lagerfeuer Lieder singen.


CHARAKTERE

Die Charaktere sind richtig herzig, besonders der dicke Gustav, er war 34 Jahre an einer Lederhose befestigt und hat viel von der Welt gesehen. Und dann ist da noch der Knopf, der einmal an einem Brautkleid war, doch seine Geschichte ist traurig. Oder der olle Woody, der schon in Woodstock dabei war, die Trägerin seiner Strickjacke damals hieß auch Emma, und Woody ist totaaaal easy, Love and Peace and Harmony und so ;-)

HÖRBUCH

Fritzi Haberland ist einfach umwerfend. Sie hat eine Stimme, perfekt für Kinderbücher. Und sie spricht mit verstellter Stimme, unterschiedlichen Dialekten, verleiht jedem einzelnen Knopf zusätzlich seine eigene Persönlichkeit. Die unsichere, stets auf ihren Wert bedachte Luise. Der dicke, bayerische Gustav. Die adelige Dame. Die eitlen Models. Der gefährliche große K. Der chillige Woody. Und natürlich sehr viele anderen Figuren mehr. Es ist faszinierend anzuhören, wie dieses anfangs scheinbar so zarte Stimmchen plötzlich solch eine Variationsmöglichkeit beweist! Sie schreit, stottert, flüstert, lacht, befiehlt, sie liest nicht mehr vor, nein sie spielt ihre Rolle. Man hätte keine bessere Sprecherin finden können als Fritzi!


FAZIT

EMMA IM KNOPFLAND ist ein zauberhaftes Kinderbuch um das beliebte Motiv der Freundschaft und Identitätsfindung. Wer ein offenes Herz hat, kann dieses Buch nicht hören, ohne danach zu strahlen. Und er wird Knöpfe zukünftig mit anderen Augen sehen ;-)

SaschaSalamander 14.02.2012, 09.08 | (0/0) Kommentare | PL

Die Brautprinzessin

goldmann_braut_1.jpgDIE BRAUTPRINZESSIN von William Goldmann. Ein Buch, das ich schon immer lesen wollte. Weil es zu den Büchern gehört, von denen ich den Eindruck habe, dass jeder außer mir es kennt. Ich hatte keinerlei Ahnung, worum es ging, kannte nur den Titel und wusste, dass es bekannt und beliebt ist. Stieß in Zitaten immer wieder auf dieses Buch, las den Titel als Empfehlung oder irgendwo als Bemerkung in einer Rezension oder in einem anderen Buch. Endlich, endlich habe ich es gelesen.

Ein klassisches Märchen, angesblich geschrieben von S. Morgenstern (den es nicht gibt), überarbeitet vom Autor. Der Autor mixt "das ursprüngliche Werk" und seine eigenen Kommentare. Er beschreibt, wie er durch dieses Buch zur Leseratte wurde, es später seinem Sohn schenkte und dieser gelangweilt war. Als er es dann selbst in die Hand nahm, wer er schockiert: er kannte das Buch nur vom Vorlesen seines Vaters, und sein Vater hatte sehr viele Stellen kindgerecht gekürzt. Also entschloss sich der Autor, das Buch selbst zu überarbeiten, kürzen und kommentieren. Das Ergebnis ist nun DIE BRAUTPRINZESSIN, wie sie der Leser in der Hand hält.

Sehr viel Ironie, das Buch nimmt das Genre der Märchen ziemlich aufs Korn. Ich mag den Humor, den Stil des Autors. Trotzdem kann ich mich den begeisterten Hymnen nicht anschließen. Vielleicht liegt es daran, dass ich aufgrund der unzähligen Vermerke, Verweise, Rezensionen, Begeisterungsstürme einfach zuviel erwartet habe. Ich fand das Buch sehr unterhaltsam, und ich habe einige Male sehr gelacht, habe sehr klare Bilder im Kopf und werde die Figuren und ihr Erleben noch lange im Gedächtnis behalten. Die Protagonisten waren mir nicht sonderlich sympathisch, aber das war wohl auch weniger Ziel des Buches, sie waren bewusst nicht als Sympathieträger erschaffen worden. Dafür mochte ich zwei der Nebencharaktere umso mehr, und auch die Geschichte an sich war sehr gut erdacht.

Doch auch, wenn es mich so gut unterhalten hat - irgendwie will ich einfach keine Worte finden für eine Rezension. Und bevor ich mir das Hirn zermartere - über dieses Buch wurde eh schon genügend geschrieben ;-)

SaschaSalamander 10.02.2012, 17.27 | (0/0) Kommentare | PL

Tabaluga und die Zeichen der Zeit

tabaluga_zeit_1_1.jpgUnd wieder ein neuer Tabaluga, nach der Reise zur Vernunft, dem leuchtenden Schweigen, dem verschenkten Glück, der Liebe zu Lilly gibt es nun das fünfte Album DIE ZEICHEN DER ZEIT. Es gab stärkere und schwächere Alben. Und leider muss ich sagen, dass das neue leider für mein Empfinden eines der schwächeren ist.

Ich finde es okay, wenn die Alben nicht aufeinander aufbauen sondern für sich stehen. Aber in manchen Dingen werden Bezüge gestellt (so etwa zum verstorbenen Vater, die Erinnerung an Lilli, Tyrions Wandel), auf der anderen Seite gibt es ganz vehemente Brüche (die Bedeutung der Drachen, das Wissen um die Liebe, die Vorstellung des Todes, religiöse Anspielungen, u.a.), das empfinde ich als inkonsequent. Es kommt mir so vor, als wolle man auf dem Erfolg der alten Alben basierend nun ein wenig Geld scheffeln, indem man ein paar neue Lieder auf den Markt wirft.

Aber wo ich bei den anderen Alben eine Wärme spürte und manchmal seufzend nickte, fehlt mir hier die Tiefe, die Aussage. Aus dem Drachen, der vordergründig so unterhaltsam und hintergründig so tiefsinnig war, wurde eine leblose Puppe gemacht. Auch die Musik ist kraftlos. Es gab für mich selbst kein einziges Stück mit Wiedererkennungswert, das ich seitdem im Ohr trage, die Refrains luden mich nicht zum Mitsummen ein, ich kann mich an keinen einzigen Text mehr erinnern, und schon wenige Minuten nach Ende eines Songs hätte ich nicht einmal mehr die Melodie nachpfeifen können (naja, außer dem ersten Song, der jedoch inhaltlich nicht allzu viel bieten konnte). Natürlich ist die Eingängigkeit eines Songs nicht ausschlaggebend für die Qualität, trotzdem ist das etwas, das ich bei Tabaluga bisher so angenehm fand: eingängige Ohrwürmer, deren Inhalt das Herz berührt. Diesesmal: kein Ohrwurm. Keine Gänsehaut. Kein Tränchen. Handtaschenweisheiten statt tiefe Wahrheiten. Leere Musik, leere Texte.

Nach dem Hören war ich sehr enttäuscht. Ja, ich weiß, es gibt haufenweise Fans, und wenn ich mich beim großen Onlinehändler umsehe, dann lese ich fast nur Begeisterungsstürme. Doch ich werde mich nicht einreihen. Leider ... und ich möchte auch betonen, dass ich keinem Fan die CD madig machen möchte. Aber da auch ich mich freue, hier und da eine Gegenstimme zu lesen, die meine Ansicht teilt, möchte ich Euch trotzdem davon erzählen. Und natürlich bin ich selbst sehr gespannt, wie Ihr DIE ZEICHEN DER ZEIT fandet :-)

SaschaSalamander 07.12.2011, 09.55 | (0/0) Kommentare | PL

Sieben Minuten nach Mitternacht

VORABGEDANKEN

Normalerweise habe ich beim Lesen eines Buches bereits Gedanken im Kopf, was ich in die Rezension schreiben möchte. Dieses Mal nicht, ich fühle mich leer. Das Buch hat mich komplett eingenommen, sodass ich an nichts anderes denken konnte währenddessen. Und ich weiß auch nicht wirklich, wie ich das, was ich nun fühle, in Worte fassen soll. Manchmal fällt es so unendlich schwer, seinen Gedanken Gestalt zu verleihen. Es gibt Dinge, die man selbst erleben muss, weil andere sie nicht erzählen können. Und doch hat der Autor in diesem Buch es geschafft, unaussprechliche Gefühle in klare, kindgerechte Worte zu packen. Ich ziehe meinen Hut vor dieser Meisterleistung und möchte SIEBEN MINUTEN AN MITTERNACHT als ein ganz besonderes Buch für Leser aller Altersklassen empfehlen.

Die letzten beiden Kapitel dieses Buches musste ich mehrfach unterbrechen. Ich musste sosehr weinen, dass der Text vor meinen Augen verschwamm, und ich hätte gerne laut aufgeschrien über die Ungerechtigkeit, und zugleich fühlte ich mich so erleichtert und frei, als zum Schluss endlich die Wahrheit ausgesprochen wurde und das Buch zwar kein glückliches aber ein erlösendes Ende fand.


VORGESCHICHTE DES BUCHES

Patrick Ness ist Literaturkritiker beim GUARDIAN. Siobhan Dowd war Redakteurin und freischaffende Autorin, sie verstarb 2007 an Krebs. Zuvor erarbeitete sie das Exposé des vorliegenden Buches, doch sie kam nicht mehr zu ihrer Ausarbeitung. Dies hat Patrick Ness für sie übernommen, er erzählt im Vorwort die bewegende Geschichte dieses Buches.


INHALT

Conor hat jede Nacht einen schrecklichen Albträum. Und um 00.07 kommt das Monster, er fürchtet sich. Bis er sieht, dass das Monster nach Mitternacht gar nicht das Wesen aus seinem Albtraum ist. Das Monster macht ihm keine Angst, denn er hat schon viel schlimmere Dinge gesehen, und so beginnt eine seltsame Freundschaft zwischen den beiden. Bald beginnt das Monster Conor drei Geschichten zu erzählen. Der Junge versteht den Inhalt der Geschichten nicht, und die vierte Geschichte soll er erzählen, denn in ihr steckt die Wahrheit. Der Grund, warum das Monster ihn jede Nacht besucht. Doch vor dieser Wahrheit hat Conor Angst:

Conors Mutter leidet an Krebs, sie hat die Hoffnung nicht aufgegeben, doch bald wird sie sterben. In der Schule wird der Junge deswegen gemieden, die Lehrer fassen ihn mit Samthandschuhen an, er wird von Mitschülern gemobbt, seiner Freundin kann nicht verzeihen, dass sie damals den anderen von der Krankheit seiner Mutter erzählte. Er ist alleine, sein Vater ist in Amerika, und seine Großmutter mag er nicht. Das Monster ist gekommen, um ihm zu helfen. Aber helfen wobei? Kann es seine Mutter gesund machen? WOBEI das Monster ihm helfen will, erfährt Conor erst am Schluss, als er endlich in der letzten Geschichte die Wahrheit aussprechen muss.


ERZÄHLSTIL

Die Geschichte ist in sehr schlichten, kindgerechten Worten erzählt. Kurze Sätze, die umso eindringlicher auf den Leser wirken. Keine Fremdwörter, keine komplizierten Formulierungen. Dafür ein umso intensiverer Text, dessen Inhalt sich gerade jüngeren Lesern nicht unbedingt sofort erschließt. Aber das ist in Ordnung, denn auch Conor gibt zu, dass er die Geschichten nicht versteht. Erst am Ende erschließt sich die komplette Bedeutung, als der Leser Conors Albtraum erfährt. Und dieser ist weit schlimmer als das Mobbing, als der nahende Tod, als die mitleidigen Blicke der Lehrer.

Gerade, weil dieses Buch so schlicht geschrieben ist, berührt es so tief. Der Leser, gleichwelcher Altersklasse, kann sich problemlos in Conor hineinversetzen, spürt mit ihm die Hilflosigkeit, die Wut, die Angst. Und noch ein starkes Gefühl, welches ich nicht verraten möchte, weil es erst am Ende zur Sprache kommt. Es hängt unausgesprochen über dem ganzen Buch, der Leser spürt es, will es jedoch ebenso wie der Junge nicht wahrhaben, weil die Wahrheit so schmerzlich ist und weil es ein Tabuthema innerhalb des Themas sterbende Angehörige ist.


BILDER

Die Bilder empfinde ich persönlich als sehr beängstigend aber dennoch kindgerecht, da sie sehr von der jeweiligen Interpretation abhängig sind. Dürre Äste, dunkle Wälder, ein riesiger Baum-Mann, zerstörte Ruinen einer Kirche, alles in Schwarz, Weiß und Grau. Bilder, die direkt aus Conors Albtraum zu kommen scheinen. Keine klar umrissenen Konturen sondern Silhouetten, Schemen, bedrohliche Klauen, die aus der Dunkelheit nach dem Leser greifen. Sie passen sehr gut zu dem entsprechenden Text und unterstreichen die Kernaussage der jeweiligen Kapitel, vermitteln eine sehr gute Atmosphäre.

Manche Bilder sind auf einer kompletten Doppelseite vertreten, andere Bilder sind um den Text herum gemalt, der Text in die Zeichnung integriert, verwoben zu einer Gesamtheit, die Geschichte in einen passenden Rahmen setzend.


PÄDAGOGISCHER ASPEKT

Es ist harter Tobak, auf jeden Fall. Und manch einer wird sagen "das kann man einem Kind nicht zumuten". Kann man nicht? Man kann. Denn einem Kind wird es auch zugemutet, dass die Mutter stirbt, das ist tägliche Realität. Und es ist wichtig, dass Kinder sich mit solchen Themen auseinandersetzen. Conor litt in dem Buch vor allem darunter, dass die Lehrer nur mitleidig wegblickten, dass die Eltern ihm das wahre Ausmaß der Krankheit verschwiegen, dass die Großmutter ihn nicht für seine bösen Taten bestrafte. Und so wie Conor geht es vielen Kindern, die doch eigentlich darüber reden möchten. Die begreifen wollen, was geschieht. Die ihre Gefühle nicht aussprechen können, wenn die Erwachsenen um sie herum die Wahrheit leugnen. Und die Gefühle sind nicht schön, sie sind urgewaltig, glühend und mächtig, so wie das Monster. Kinder brauchen einen Erwachsenen, der sie an die Hand nimmt, der mit ihnen über Schuld, Verantwortung, Trauer, Angst, Wut, Zorn, Hass, Hilflosigkeit redet. Sie müssen erfahren, dass diese Gefühle gestattet sind, und dieses Buch kann ihnen dabei helfen, endlich über das Unaussprechliche zu reden, wofür die Erwachsenen keine Worte haben.

Allerdings sollte man gerade jüngere Kinder nicht alleine mit diesem Monster lassen. Es werden sehr viele Fragen hervorbrechen, und nicht auf alles wird es eine Antwort geben. Die Geschichten sind stellenweise verwirrend, und es wäre vielleicht sogar gut, wenn der Vorleser das Buch zuvor selbst gelesen hat, um den Inhalt der Geschichten im Gesamtkontext zu begreifen und dem Kind Fragen zu beantworten, die erst im späteren Verlauf der Handlung erklärt werden.


FAZIT

Dem Autor ist es gelungen, unaussprechliche Gefühle in greifbare Worte zu verpacken. Siobhans Geschichte, Patricks Umsetzung, das wurde zu einem ganz besonderen Buch, das ich nie wieder vergessen werde ...


SaschaSalamander 17.10.2011, 09.16 | (0/0) Kommentare | PL

Die Worte der weißen Königin



DIE WORTE DER WEISSEN KÖNIGIN ist das neue Buch von Antonia Michaelis. Sie hat bereits viele Kinder- und Jugendbücher geschrieben, die mich begeisterten durch ihre Sprache und Vielfalt, aber der große Wurf ist ihr vor einiger Zeit mit DER MÄRCHENERZÄHLER gelungen. An diesen Erfolg anknüpfend, hat der Oetinger-Verlag wohl auch das Cover gestaltet. Auch die Idee, das "nackte" Buch ohne Schutzumschlag ebenso zu gestalten, das gleiche Motiv nur ohne den Menschen darauf, wurde übernommen. Es ist irritierend für den Leser, denn viele Elemente deuten darauf hin, dass es eine Fortsetzung des MÄRCHENERZÄHLERS sein könnte. Dennoch ist DIE WORTE DER WEISSEN KÖNIGIN ein komplett eigenes Buch.

INHALT

Seine Mutter hat die Familie verlassen, als Lion drei Jahre alt war, seitdem lebt er allein mit seinem Vater. Er lernt sehr viel von ihm, nicht für die Schule, das kann sein Vater nicht, aber fürs Leben. Doch als sein Vater die Arbeit verliert, beginnt er zu trinken, und anstelle des liebevollen Vaters tritt der "schwarze König", der seinen Sohn misshandelt. Lion möchte gerne frei sein wie die Seeadler, und er vermisst die "weiße Königin", die alte Frau, welche den Kindern Märchen vorlas. Doch die alte Frau ist nicht mehr da, und die Seeadler fliegen ohne ihn. Lion beginnt die Schule zu schwänzen, die Seeadler zu zähmen und sich auf die Suche nach Worten zu machen, wie man sie nur in Büchern findet und durch die er sich mit der "weißen Königin" verbunden fühlt. Als die Misshandlungen durch den Vater zunehmen, flieht er von zu Hause und beschließt, mit den Adlern zu leben und die "weiße Königin" zu finden.


GENRE

Für ein Kinderbuch ist dieses Buch meiner Ansicht nach etwas zu ernst. Während Lindgren in den BRÜDER LÖWENHERZ die Dinge wie den Tod umschreibt, ist Michaelis sehr direkt. Ein Kind wird geschlagen, ausgepeitscht, und es es denkt stellenweise daran, den eigenen Vater zu töten. Und dennoch sind die Worte kindgerecht. Für die Kleinsten ist es nicht passend, doch die Altersgruppe Lions, Kinder um die 10 Jahre, dürften bereits Verständnis für dieses Buch haben, wenn man sie nicht alleine damit lässt und mit ihnen darüber redet.

Durch die poetische Sprache, die zahlreiche Symbolik und die fantastischen Elemente mutet das Buch an wie ein Märchen. In Anlehnung an den Begriff der "Urban Fantasy" möchte ich gerne den Begriff "Urban Fairy Tale" einführen. Ein modernes Märchen, das in der Gegenwart spielt. Und so, wie Märchen grausam sein können, so ist auch dieses Buch auf gewisse Weise grausam und zugleich doch schön. Ein Widerspruch, wie ihn nur Märchen in sich vereinen können.

Das Buch vermischt Märchen und Realität auf faszinierende Weise. Während man in klassischen Märchenbüchern klar weiß, was Realität und Fiktion ist, so sind die Grenzen hier fließend. Kann man einen Seeadler zähmen? Kann ein Kind im Horst eines Seeadlers nächtigen? Auch ist der unsichtbare Freund (hier in Gestalt der jüngeren Schwester, einer Personifikation der nicht gelebten Wut Lions) ein häufiges Thema in realen Geschichten. Doch was, wenn der unsichtbare Freund mit realen Menschen agiert und diese reagieren: vielleicht ist der Freund ja doch real? Oder vielleicht können nur andere Kinder ihn sehen, nicht jedoch die Erwachsenen? Oder vielleicht ist es eine Metapher für das, was eigentlich Lion selbst tut und psychologisch betrachtet von sich abspaltet?

Das Buch richtet sich auch an Erwachsene, denn Kinder werden wohl all die Anspielungen nicht verstehen, können nicht die komplette Tragweite des Buches erfassen. Und ich bin sicher, dass durch die vielen verschiedenen Symbole auch die Erwachsenen das Buch sehr individuell lesen werden, jeder wird etwas anderes darin sehen und die Situationen unterschiedlich deuten. Es gibt unbeantwortete Fragen am Ende, die Antworten finden sich zwischen den Zeilen in einzelnen Umschreibungen. Ich bin sicher, dass das Buch die Gemüter sehr spalten wird. Das gefällt mir, denn es stellt keinen Absolutheitsanspruch, statt dessen regt es zum Nachdenken und Diskutieren an.



GEFÜHL WÄHREND DES LESENS

Dies ist das Einzige, wo ich Parallelen zum MÄRCHENERZÄHLER ziehen möchte. Das Gefühl während des Lesens ist fast das gleiche. Einerseits die wunderbaren Worte, die ein Gefühl von Geborgenheit vermitteln, die klaren Bilder, die im Kopf des Lesers entstehen. Und zugleich der dicke Kloß im Hals, der den Leser zum Weiterlesen zwingt, man möchte den Kloß loswerden, man wünscht sich, dass diese Anspannung sich löst. Und doch ist das Buch zu realistisch, als dass es schön sein könnte. Eine dunkle Melancholie legt sich wie eine Decke über den Leser, nur manchmal wagt er einen Blick in den Himmel, wo er mit Lion und den Adlern durch den Himmel gleiten und diese Freiheit erleben möchte. Oft musste ich das Buch für einige Momente unterbrechen und das wirken lassen, was ich eben gelesen hatte. Ich kann nicht davon lesen, wie ein Vater sein Kind mit einem Holzscheit prügelt und dann einfach weiterlesen, als wäre nichts geschehen. Es braucht eine Pause, um dies zu verdauen. Die kindlichen Gedanken und Worte machen das Geschehen umso tragischer, die Verletzbarkeit des Jungen, seine kindliche Unschuld wirken regelrecht greifbar.

DER MÄRCHENERZÄHLER machte mich betroffen, doch dieses Buch steigert diese Gefühl. Denn Anna und Abel sind Jugendliche, die bereits eine gewisse eigene Entscheidungsfähigkeit und Selbstverantwortung tragen. Lion ist noch ein Kind, und er ist den Erwachsenen ausgeliefert. Sein Versuch sich zu wehren und Freiheit zerreißt dem Leser schier das Herz, vor allem, wenn er getriggert wird und Dinge tut, die ein Kind in diesem Alter niemals tun sollte, weil es Dinge weiß, die ein Kind nicht wissen sollte ...


LITERARISCHE BEZÜGE

Wie auch schon in einigen ihrer anderen Bücher bezieht sich Antonia Michaelis auf andere bekannte Bücher. In diesem Fall sind es Kipling (Rikki Tikki Tavi), Exupery (der kleine Prinz) und Astrid Lindgren (Klingt meine Linde, die Brüder Löwenherz). Geschickt hat sie die einzelnen Elemente in die Handlung gebracht und den Inhalten eine neue Bedeutung verliehen. Ich mag diese Bezüge und finde sie sehr treffend, sie passen in das Buch, stellenweise scheint es fast, als wären diese Geschichten Inspiration gewesen und als hätte sie das Märchen von Lion (der nicht zufällig den Namen des Löwen trägt) um diese Elemente herumgewebt.

Auch fällt es auf, wie sie Sprache und Metaphorik sowie die Bezüge zu den anderen Geschichten miteinander verbindet. So ist Olin, Lions unsichtbare Freundin / Schwester namentlich ein Anagram von Lions Namen. Und hat eine klangliche Ähnlichkeit zu dem Mädchen Malin, was ich hier jedoch ohne Spoiler nicht näher erklären kann aber sich dem Leser nach der Lektüre erschließen wird.


THEMEN

Das Buch beinhaltet sehr viele elementare Themen. Einige davon werden klar benannt, andere sind zwischen den Zeilen zu finden. So geht es nicht nur um Kindsmisshandlung, sondern auch um Wut, Hass, Angst. Aber auch Vergebung, Familie, Freiheit, Selbstbewusstsein, Stärke und Mut. Es stellt sich oft die Frage, was wichtig ist im Leben. Lion ist arm, er trägt zerfetzte Kleidung, geht auf eine Förderschule und beneidet andere Kinder um das, was sie haben: MP3-Player, neue Kleidung, ferngesteuerte Autos. Er ist wütend darüber, wie wenig sie ihre Frisur schätzen und wiesehr sie sich gehenlassen. Und doch ist er froh über das, was er hat und sie niemals haben werden: die Freiheit und das Wissen der Seeadler. Es ist ein Buch der großen Gefühle, gekleidet in kleine Worte mit großer Bedeutung. Lion sagt von sich selbst, dass ihm die Worte fehlen, erst durch die weiße Königin lernte er neue Worte kennen, die seinen Horizont erweiterten, doch als die Königin ging, suchte er nach neuen Worten, aber das Buch bleibt mit ihm stehen. Die Worte sind einfach. Die Inhalte sind groß ...


FAZIT

Das Buch hat mich sehr bewegt, und unter den aktuellen Büchern ist es auf jeden Fall eine absolute Empfehlung für Jung und Alt. Kinder ab 12 Jahre sollten es allerdings nicht alleine lesen sondern einen Erwachsenen an ihrer Seite haben. Ältere Leser sollten sich bewusst sein, dass all die ernsten Themen nicht in Absolutheit behandelt werden können und vieles unbeantwortet bleiben muss. Die Worte klingen sanft und still, doch ihre Wirkung ist gewaltig. Ein Buch, für das man Zeit braucht und ein offenes Herz. 

SaschaSalamander 08.08.2011, 09.01 | (0/0) Kommentare | PL

Die Legende der Wächter

Schleiereule Soren und seine kleine Schwester Eglantine lieben die Geschichten um die Legende der Wächter: Eulen, die über den Frieden wachen und ihr Volk im Kampf gegen die "Reinen" verteidigen. Zu gerne wäre Soren einer von Ihnen.

Beim "Nesteln" stürzen er und sein Bruder Kludd vom Baum und werden von fremden Eulen aufgefangen, entführt und zu einer Gruppe von anderen Eulen gebracht, wo sie in die Lager der Sammler und Soldaten gespalten werden. Soren wird zu einem Sammler, sein Bruder wird Soldat. Soren freundet sich mit einer kleinen Eule an, und beide finden heraus, dass sie bei den Reinen gelandet sind und diese einen bösen Plan gegen die Wächter führen. Doch wie soll es den beiden kleinen Eulenkindern, die ja noch nicht einmal richtig fliegen können, gelingen, bis zu den Wächtern zu fliegen und sie zu warnen? Sie machen sich auf eine unmögliche und gefahrvolle Reise, hin zu einem Ziel, von welchem sie nicht einmal wissen, ob es denn überhaupt existiert ...

DIE LEGENDE DER WÄCHTER ist die Verfilmung einer Buchvorlage. Und ich muss leider gestehen, dass ich vor dem Film noch nichts von dem Buch gehört, es somit auch noch nicht gelesen hatte. Trotzdem entschied ich mich dieses Mal, zuerst den Film zu sehen. Er hat mich begeistert. Ob er dies auch getan hätte, wenn ich das Buch zuerst gelesen hätte, weiß ich nicht. Auf jeden Fall muss ich sagen, dass der Film neugierig gemacht hat und ich die Bücher auf jeden Fall lesen werde!

Ich war während des Filmabends einfach nur begeistert! Die Animationen sind wunderschön, und alle paar Minuten dachte ich mir "was für ein geniales Poster" oder "toller Desktophintergrund". Die Bilder sind sehr detailliert, jede einzelne Feder, jedes Blatt im Wind, jeder Regentropfen, nichts wurde übergangen. Und zwischendurch immer wieder die monumentalen Bilder von Landschaften oder der Weite des Himmels, jedes ein Kunstwerk für sich. Selbst ohne Ton wäre es berauschend gewesen, einfach nur zu sitzen und die Bilder zu betrachten (Und diese Aussage von mir, die ich wirklich kein visueller Mensch bin und Filme meistens nebenbei laufen lasse und nur auf die Worte höre. Das will mal wirklich etwas bedeuten, wenn Bilder mich sosehr berühren wie hier!)

Auch der Sondtrack ist hervorragend. Die Musik stört niemals, fällt nicht als zu laut oder aufdringlich ins Gewicht, ist jedoch immer präsent, untermalt sehr gut die aktuelle Stimmung und hat an den wichtigen Stellen eine wundervolle Melodie, sie ist sehr eindringlich, und der Titelsong am Ende ist ein Genuss. Man möchte den Abspann allein des Liedes wegen bis zum Ende sehen / hören. Hier ist es sogar eine Überlegung wert, ob ich mir vielleicht bald den Soundtrack kaufen werde.

Die Handlung bietet sehr viele Identifikationsmöglichkeiten für unterschiedliche Charaktere, und die einzelnen Figuren sind sehr schön herausgearbeitet. Obwohl die Geschichte sehr stark gerafft ist (gleich mehr dazu), entwickeln sich die Protagonisten deutlich weiter, ihre Aktionen sind nachvollziehbar und bieten eine sehr gute Projektionsfläche für eigene Ängste, Hoffnungen und Wünsche gerade der jüngeren Zuschauer. Für Erwachsene ist da natürlich weniger gegeben, denn die Handlung und die Charaktere sind äußerst "klassisch", und es ist von Anfang an klar, wie es weitergehend wird. Wirkliche Spannung kommt eigentlich nicht auf, denn die Geschichte hat man in unterschiedlicher Form schon viele Male gesehen, wenn auch nicht mit Eulen. Aber es sind eben die klassischen Inhalte, die immer wieder gefallen, und dieser hier ist einfach bezaubernd umgesetzt.

Familienkino im ganz großen Stil. Allerdings halte ich es nicht für ratsam, den Film 6jährige ohne Aufsicht sehen zu lassen. Denn der Film ist ab 12 Jahren konzipiert, und das merkt man ihm inhaltlich auch sehr stark an. Damit er auch für jüngeres Publikum geeignet ist, schnitt man ihn in Deutschland um ganze drei Minuten (leider eine elementare Szene, welche für das spätere Verständnis wichtig ist. Es wird später ein Verrat angeklagt, der jedoch zuvor herausgeschnitten wurde!), doch die gesamte Aussage des Filmes ist und bleibt trotzdem ungeeignet für 6jährige, da sie stellenweise recht grausam und vor allem komplex ist, sodass dem Kind die brutalen Bilder bleiben ohne das Verständnis des Geschehens. Dies ist eine Filmpolitik, die bei mir auf große Ablehnung stößt, aber da stehe ich zum Glück nicht alleine. Filme der Zensur zum Opfer fallen lassen, Handlung zerstückeln und dafür aber eine Freigabe erwirken, die zwar unpassend ist, dafür aber die Kassen klingeln lässt. Nein danke! Zum Glück war die DVD nur geliehen. Kaufen werde ich sie ungeschnitten, und falls das in Deutschland nicht erhältlich ist, dann gerne als Import!

Ein weiterer Nachteil des Familienfilms in diesem Fall ist, dass die tragischen Elemente manchmal nicht zu den albernen Momenten passen. Im Grunde ist DIE LEGENDE DER WÄCHTER ein nachdenklicher, düsterer Film, doch für das jüngere Publikum wurden natürlich Sidehooks eingebaut und witzige Momente gezeigt, die jedoch hier und da die Stimmung stören. Nichts, was den Filmgenuss enorm schmälert, aber eben doch sehr auffällig.

Die Geschichte ist sehr stark gerafft. Nach dem Film wünschte ich mir, dass man die Handlung auf drei Teile gezogen hätte. Denn die Entführung und Erziehung durch die Reinen wurde in wenigen Minuten abgehandelt, und doch hätte man da so viel daraus machen können. Der Film ist verständlich, und es stört nicht, dass dieses Thema nur angerissen wurde, aber es war offensichtlich, dass man sehr viel mehr hätte herausholen können. Auch die beschwerliche Reise fühlte sich stark gekürzt an und hätte sehr viel Potential geboten für einen ganzen, eigenen Film. Ankunft, Krieg, Sieg, und das wars, wobei auch hier mehr Zeit ein Gewinn gewesen wäre. Als ich später im Web recherchierte, erfuhr ich, dass genau diese drei Elemente jeweils ein eigenes Buch erhalten hatten. Und so bin ich mir sicher, dass der Film nur die Grundhandlung wiedergibt und die eigentliche Geschichte vermutlich um einiges intensiver ist.

Ich werde also ganz sicher bei Gelegenheit das Buch in der Bib reservieren, um in den vollen Genuss der spannenden Geschichte um die mutige Eule Soren zu kommen. Aber den Film werde ich mir dennoch kaufen, die Bilder sind einfach zu schön ...

Fazit? Empfehlung? Aber sicher! Den Jüngsten rate ich nicht gerade zu diesem Film, aber ab 10 bis 12 Jahre ist die Handlung verständlich, und auch für Erwachsene ist DIE LEGENDE DER WÄCHTER wunderschön anzusehen, ein Film zum Träumen und Abschalten.

SaschaSalamander 28.02.2011, 09.11 | (0/0) Kommentare | PL

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